Vorwürfe gegen US-Richterkandidat: Kavanaugh erklärt sich
Trump will nach der Anhörung von Brett Kavanaugh dessen Kandidatur für den Supreme-Court überdenken. Dem Juristen werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen.
Der Termin birgt politische Sprengkraft: Republikaner im Senat dringen darauf, Kavanaughs Nominierung zu retten – und damit im Supreme Court auf Jahrzehnte hinaus ein konservatives Übergewicht verankern zu können. Kavanaugh und Ford müssen sich den Fragen von elf Republikanern – allesamt Männer – sowie zehn Demokraten stellen. Die Führung der Republikaner hatte zudem angekündigt, eine Juristin als Assistentin in die Anhörung einzubinden.
Die Uniprofessorin wirft dem Supreme-Court-Anwärter vor, sie vor mehr als 30 Jahren auf einer Party auf ein Bett gedrückt, sie angefasst und versucht zu haben, sie auszuziehen. In ihrer vorbereiteten Zeugenaussage, die am Vortag vorlag, erklärt Ford, sie habe geglaubt, dass Kavanaugh sie damals habe vergewaltigen wollen. Sie habe „Angst“ gehabt, mir ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie sei Ziel von Belästigungen und gar Todesdrohungen geworden. Doch sehe sie es als ihre „Bürgerpflicht“ an, die Senatoren über das Geschehene in Kenntnis zu setzen. Die Einzelheiten des mutmaßlichen Übergriffs hätten sie bis ins Erwachsenenalter „verfolgt.“
Kavanaugh hat die Vorwürfe wiederholt vehement zurückgewiesen. Er sei noch nicht einmal auf der von Ford beschriebenen Party gewesen, sagte er in einem Interview des Senders Fox News. Die Republikaner sehen in den Anschuldigungen eine Schmierenkampagne und ein taktisches Spiel der Demokraten, die dessen Nominierung stoppen soll. Doch angesichts neuer Vorwürfe gegen Kavanaugh ließen einige republikanische Senatoren durchblicken, dass nun vieles von dessen Auftritt bei der Anhörung abhänge.
Trump hält Vorwürfe weiterhin für unbegründet
Selbst Trump, der sich zuletzt vehement hinter Kavanaugh stellte, behielt sich am Mittwoch einen „Sinneswandel“ über die Personalie offen, falls Ford „total überzeugend“ sein sollte. Auf die Frage, ob er Kavanaughs Nominierung kassieren würde, entgegnete der Präsident: „Wenn ich dächte, dass er sich so einer Sache schuldig gemacht hat … Ja, klar.“ Er halte die Vorwürfe zwar weiter für unbegründet, wolle aber die Anhörung aufmerksam verfolgen. „Ich glaube, das wird ein sehr, sehr wichtiger Tag in der Geschichte unseres Landes“, sagte Trump.
Sein Wunschkandidat geriet vor der Anhörung immer mehr unter Druck. Eine Frau namens Julie Swetnick erklärte, sie habe ihn in den frühen 80er Jahren häufig bei ausgiebigen Trinkgelagen und „unangemessenen Kontakten sexueller Natur zu Frauen“ beobachtet. Kavanaugh wies dies ebenfalls zurück – ebenso wie die Darstellung einer zweiten Frau, die ihm sexuelle Nötigung während ihrer Studienzeit in Yale vorwirft.
Er wäre bei weitem nicht der erste Supreme-Court-Anwärter, der im Ernennungsprozess scheitert. Es gab in der langen Geschichte des höchsten US-Gerichts mehrere Dutzend Fälle, in denen Nominierungen zurückgezogen wurden oder ein Kandidat beim Votum im Senat durchfiel.
Zweifel unter Republikanern
Erst muss der Justizausschuss der Kammer eine Empfehlung abgeben, dann muss der gesamte Senat über die Ernennung abstimmen. Die Republikaner haben im Senat derzeit nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme, stehen aber weitgehend hinter Kavanaugh und wollen den Justizausschuss nach dessen Anhörung rasch darüber abstimmen lassen, ob er dem gesamten Oberhaus für eine Bestätigung empfohlen werden soll. Aber es gibt auch einzelne Republikaner, deren Zustimmung zu Kavanaugh angesichts der Vorwürfe wackelt. Für sie ist nun die Anhörung mit Ford entscheidend.
Senatsmehrheitsführer Mitch McConnell trug seinen Kollegen denn auch auf, sich für eine Wochenendsitzung bereit zu halten. Sein Ziel ist, Kavanaugh noch vor Beginn der nächsten Amtsperiode des Supreme Court am 1. Oktober zu bestätigen. Ob die Unterstützung für Kavanaugh unter seinen Parteikollegen schwinde, fragte ein Reporter John Thune, den dritthöchsten Republikaner im Oberhaus. Dieser stockte kurz, ehe er mit „Nein“ antwortete.
Die Demokraten wollen den Prozess mit aller Macht rauszögern. Bei den anstehenden Kongresswahlen im November könnte die Senatsmehrheit wieder an die Demokraten fallen, die den Wunschkandidaten von Präsident Donald Trump dann noch verhindern könnten. Beide Seiten liefern sich seit Tagen eine Schlammschlacht um die Personalie. Aber beide stehen auch vor dem Problem, dass sie aufpassen müssen, durch ihre strategischen Winkelzüge bei dem heiklen Thema nicht lauter Wähler vor den Kopf zu stoßen – vor allem Frauen.
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