Vorwürfe gegen Priester: Gewaltfrage ungeklärt, Tat verjährt
Die Zweifel konnten nicht ausgeräumt werden: Das Landgericht Osnabrück stellt das Verfahren gegen einen 51-Jährigen Priester ein, der vor 21 Jahren Geschlechtsverkehr mit einer 14-jährigen Messdienerin hatte.
BREMEN taz | Ungeklärt geblieben ist die Gewaltfrage. Nicht umfangreich und nicht anschaulich genug hat das Opfer des katholischen Priesters Andreas H. aus Spelle dem zweiten psychiatrischen Gutachter schildern können, ob der seit August 2010 Angeklagte sie vergewaltigt oder nur missbraucht hatte, vor 21 Jahren. Deshalb hat die Große Jugendkammer des Landgerichts Osnabrück das Verfahren am Mittwoch eingestellt.
Das Missbrauchsdelikt aus seiner Kaplanszeit in Haren hatte der 51-jährige Geistliche eingeräumt. Dabei hatte er den Sex mit der Messdienerin jedoch stets als einvernehmlich geschildert. Da die zum Zeitpunkt der ersten Tat kein Kind mehr, sondern laut Gesetz mit 14 Jahren zur schutzbefohlenen Jugendlichen herangereift war, hätte am Ende des Verfahrens keine Verurteilung stehen können. Mit dem Ende der Kindheit des Opfers halbiert sich die Verjährungsfrist. Aufs kirchenrechtliche Verfahren hat die Entscheidung laut Bistum keinen Einfluss. Es liegt in den Händen der Glaubenskongregation im Vatikan.
Die Nebenklägerin wollte sich nicht äußern. Zunächst hatte der Berliner Star-Psychiater Hans-Ludwig Körber in einem Gutachten ihre Aussagetüchtigkeit überprüft. Nachdem er im Januar bejaht hatte, dass ihre Erinnerungen der Realität entstammen und keine reinen Projektionen sind, musste sie die Vorgänge in der Harener Kaplanei für ein zweites Gutachten dem ebenfalls an der Charité tätigen Max Steller veranschaulichen. Daran scheiterte die junge Frau allerdings: Die von der Staatsanwaltschaft notierte Aussage, derzufolge der Seelsorger ihren Widerstand überwand, indem er sich auf ihre Oberarme setzte und ihr den Mund zuhielt, blieb räumlich und zeitlich zu vage.
Dadurch wären die in einem Prozess notwendigen Nachfragen nach Art und Ausmaß der Gewaltanwendung zwangsläufig suggestiv geworden. "Die Frage, ,was ist dort wirklich geschehen?' wäre nicht zu klären gewesen", sagt Andreas H.s Verteidiger Theo Krümberg. Sein Mandant sei erleichtert über das Ende des Verfahrens, sagte er der taz. Schließlich wäre auch bei einem Freispruch "immer etwas hängen geblieben".
Die Verteidigung hatte konsequent versucht, die Glaubwürdigkeit der Geschädigten zu erschüttern - mitunter zu forsch: So war Krümberg noch kurz bevor der Priester den Sex mit der Ministrantin einräumte, mit der Einschätzung an die Öffentlichkeit gegangen, es handele sich um einen "klassischen Trittbrettfall". Tatsächlich hatte sich Andreas H.s Opfer erst im Frühjahr 2010, ermutigt durch die Welle der Missbrauchsaufklärung in der katholischen Kirche direkt an den Bischof von Osnabrück gewandt. Franz-Josef Bode hatte den Pfarrer von Spelle daraufhin beurlaubt und zur Selbstanzeige aufgefordert.
Nachdem der Priester das Ultimatum hatte verstreichen lassen, schaltete das Bistum die Staatsanwaltschaft ein und eröffnete das Verfahren nach kanonischem Recht. Auch das kennt eine zehnjährige Verjährungsfrist. Sie kann aber, auf Antrag, aufgehoben werden.
Als äußerste Strafen sieht es die Dimission, also ein Berufsverbot, das Schleudern eines Anathemas - den offiziellen Kirchenbann - vor, der den Sünder der kirchlichen Fürsprache beraubt und ewiger Verdammnis ausliefert.
Andreas H. hat indes inoffizielle Fürsprecher: Er ist, neben der Ex-Nonne Stefania B., Chef der sektenartigen so genannten Christusgemeinschaft (CG). Die Neufrommen-Gruppe verweigert trotz Mahnungen des Bistums seit jeher die Formulierung von Statuten. Laut Aussteigern ist sie strikt autoritär organisiert.
"Was Andreas H. und Schwester Stefania sagen, ist Gesetz", so eine Ehemalige. Die beiden bestimmen sogar, welchem Beichtvater man sich anzuvertrauen hätte, Kontakte "nach außen" würden "sehr ungern gesehen". Kritik und die Weitergabe von Informationen über die CG ahnde die Gruppe mit Kontaktabbruch.
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