Vorwürfe gegen Friesenhof-Leitung: Gremium will‘s wissen

Eine Amtsrichterin erhebt im Untersuchungsausschuss Vorwürfe gegen die Heimleitung des Friesenhofes. Auch die Behörden hätten einfach weggesehen.

Soll rausfinden, was im Friesenhof schief lief: parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Foto: Daniel Reinhard/dpa

KIEL taz | Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss hat die Amtsrichterin Christiane Orgis am Montag Vorwürfe gegen die Betreiber des Friesenhofs, aber auch gegen Jugendämter und deren Aufsichtsbehörden erhoben. Insgesamt stellte sie dem Jugendhilfesystem in Schleswig-Holstein bei ihrer Zeugenaussage ein schlechtes Zeugnis aus. Orgis trat als erste Zeugin im parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf, den der Kieler Landtag eingerichtet hat, um die Vorgänge in den Friesenhof-Mädchenheimen aufzuklären.

Der Ausschuss soll auch die Fragen klären, ob die Heimaufsicht des Sozialministeriums – und damit die Ministerin Kristin Alheit (SPD) – versagt hat und was sich in Kinderheimen ändern müsste.

Orgis schilderte ihre Erfahrungen mit Mädchen und jungen Frauen, die im Friesenhof untergebracht waren, und ihre ergebnislosen Versuche, auf Missstände hinzuweisen. Bereits im Sommer 2010 habe sie dem Sozialminister, damals Heiner Garg (FDP), geschrieben. Dessen knappe Antwort: Sein Haus sei nicht zuständig, schließlich habe ein Jugendamt eines anderen Bundeslandes den Friesenhof für dieses Kind gewählt. „Der Friesenhof ist in eine Marktlücke gestoßen, und weil es keine Alternative gab, haben die Behörden Probleme übersehen“, sagte Orgis. Niemand fühlte sich für die „vergessenen Kinder“ zuständig.

In einer Sitzungspause schüttelte Barbara Janssen, Besitzerin des heute insolventen und geschlossenen Friesenhofs, den Kopf über Orgis, die von vergitterten Fenstern und unsystematischem Schulunterricht berichtet hatte. In Wahrheit sei der hausinterne Schulunterricht mit den Schulen der Umgebung abgestimmt und die Gitter an den Fenstern seien eine vorgeschriebene Brüstung gewesen. Auch die Türen hätten die Mädchen, anders als die Vorwürfe lauteten, immer öffnen können.

Im Frühling 2015 brachte eine Anfrage der Hamburger Linken Vorwürfe gegen den Friesenhof ans Licht.

Im Juni meldete die Einrichtung Insolvenz an, zu diesem Zeitpunkt lebten noch 26 Mädchen in den Häusern, betreut von 52 Beschäftigten.

Der Untersuchungsausschuss soll Vorgänge seit 2007 klären. In dem Jahr hörte das Jugendamt Dithmarschen auf, Kinder in die Friesenhof-Heime zu schicken.

Dabei entpuppte sich Orgis durchaus als Befürworterin der geschlossenen Unterbringung. So hätte sie ein stark traumatisiertes Mädchen gern in der Jugendpsychiatrie gesehen. Aber die vom privaten Helios-Konzern geführte Fachklinik in Schleswig entließ das Kind nach einigen Wochen, das Mädchen blieb in einem der Friesenhof-Heime, da kein anderer Platz zu finden war. „Weil wir in Schleswig-Holstein keine geschlossenen Heime haben, werden Kinder nach Bayern oder Polen geschafft“, kritisierte Orgis.

Trotz aller Kritik habe sie nie Strafanzeige erstattet. „Ich glaube schon, dass sie im Friesenhof Kinder retten wollten, und manchmal haben sie es auch geschafft“, sagte Orgis. „Aber oft waren die Methoden intransparent oder halblegal.“ Aber es habe eben keine Alternative gegeben.

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