Vorwahl für den Kongress in Argentinien: Klatsche für die Regierungspartei
Die linksprogressive Allianz „Gemeinsame Front“ erreicht nur 31 Prozent der Stimmen. Das ist vor allem ein Denkzettel für Präsident Fernández.
Jubel und Begeisterung brandeten dagegen beim rechtsliberalen Bündnis Juntos por el Cambio (Gemeinsam für den Wechsel) des ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri auf, als dessen Spitzenkandidatin María Eugenia Vidal auf die Bühne trat. „Heute wurde der Regierung ein donnerndes ‚Basta!‘ gesagt“, rief Vidal. Landesweit konnte das Bündnis rund 40 Prozent der Stimmen erringen.
Vorwahlen sind in Argentinien mehr als nur ein Stimmungstest. Es herrscht Wahlpflicht und alle der rund 34 Millionen Wahlberechtigten, nicht nur Parteimitglieder, müssen ihre Stimmen abgeben. Trotzdem lag die Wahlbeteiligung nur bei 67 Prozent.
Bestimmt wurden die Kandidat*innen, die im November bei den Teilwahlen zum Kongress antreten. Dann werden die Hälfte der Delegierten des Abgeordnetenhauses sowie ein Drittel des Senats neu gewählt. Gegenwärtig verfügt die Regierung in der Senatskammer noch über eine Mehrheit, während sie sich im Unterhaus stets Mehrheiten organisieren muss. Mit dem Ergebnis vom Sonntag würde sie in beiden Kammern keine Mehrheit mehr stellen.
Zwei Modelle
Präsident Fernández selbst hatte den ersten landesweiten Urnengang seit seinem Amtsantritt im Dezember 2019 zu einem Referendum über seine Politik erklärt. Am Sonntag würden zwei Modelle zur Wahl stehen, hatte er den Stimmberechtigten mit auf dem Weg gegeben. Der linksgemäßigte Politiker war mit dem klaren Auftrag, die seit Jahren schrumpfende Wirtschaft wieder auf Erfolgskurs zu bringen, ins Amt gewählt worden.
Wegen des pandemiebedingten Lockdowns war die Wirtschaft im vergangenen Jahr jedoch um weitere 10 Prozent eingebrochen. Die Inflationsrate betrug 36 Prozent. Dieses Jahr könnte sie gar die 50-Prozent-Marke überspringen. Wegen des Kaufkraftverlusts rutschen immer mehr Menschen in die Armut ab. Ende 2020 lebten 42 Prozent der rund 45 Millionen Argentinier*innen unterhalb der Armutsgrenze.
Hilfsprogramme finanziert die Regierung vor allem über die Notenpresse. Die Wahlkampfstrategie, mit Erfolgen gegen das Coronavirus zu punkten, überzeugte nicht einmal die Stammwählerschaft. Mit über 113.000 Toten liegt Argentinien auf Rang 13 in der Welt.
Doch vor allem ein vor wenigen Wochen veröffentlichtes Foto einer Geburtstagsfeier ruinierte die Glaubwürdigkeit des Präsidenten. Es zeigt das Präsidentenpaar sowie weitere Personen bei der Geburtstagsfeier der First Lady am 14. Juli 2020 in der Präsidentenresidenz in Olivos. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Präsident selbst restriktive Quarantänemaßnahmen inklusive Ausgangssperre über die Hauptstadt und weite Teile des Landes verhängt. Private Familienfeiern waren verboten.
Uneingeschränkter Rückhalt
Dafür, dass die Niederlage in der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires nicht noch heftiger ausfiel, sorgte Vizepräsidentin Cristina Kirchner. Einmal mehr bestätigt sich, dass sie das Gravitationszentrum ist, um das die Regierungskoalition einschließlich Präsident Fernández kreist. Verloren hat der Präsident, nicht seine Vizepräsidentin, so der Tenor im Kirchnerlager.
Ihren uneingeschränkten Rückhalt bei rund 30 Prozent der Provinzbevölkerung sieht man an der Reaktion einer Frau: Der Fraktionsführer im Abgeordnetenhaus und Sohn der Vizepäsidentin, Máximo Kirchner, reicht ihr am Rande einer Wahlveranstaltung sein Handy mit den Worten „Meine Mutter ist dran …“. Völlig aus dem Häuschen ruft die Frau ins Handy: „Dank der Kirchner-Regierungen habe ich heute eine anständige Rente. Wir werden Dich immer unterstützen.“
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