Vorstoß von Premier Donald Tusk: Polen fordert Energieunion
Die Abhängigkeit von Moskau soll sinken – doch die EU-Mitglieder sind viel zu zerstritten. So wird Polen wegen seiner Kohlepolitik vielfach kritisiert
BRÜSSEL taz | Die Ukrainekrise wirbelt nun auch die europäische Energiepolitik durcheinander. Die EU müsse sich unabhängiger von russischen Gaslieferungen machen, forderte der polnische Premierminister Donald Tusk in der Financial Times.
Brüssel solle eine Energieunion nach dem Vorbild der gerade erst beschlossenen Bankenunion auf den Weg bringen, schrieb Tusk in einem Gastbeitrag. Dazu gehöre eine EU-Zentrale, die Gas für alle 28 Mitgliedsländer einkauft, und ein Solidaritätsmechanismus, der Staaten bei Gasengpässen unterstützt. Ob es je zur Realisierung dieses Vorstoßes kommt, ist fraglich. Denn die EU-Mitgliedstaaten sind viel zu zerstritten.
Zwar sind bei einer Energieunion keine juristischen Hürden zu nehmen wie bei der Bankenunion – die Energiepolitik ist rechtlich im Lissabon-Vertrag verankert. Doch der Aufbau einer gemeinsamen, von Russland unabhängigen Versorgung ist schwierig: Tusk müsste alle EU-Staaten hinter sich bringen.
Bisher erhält die EU ein Drittel ihres Gases aus Russland. Dennoch haben bereits Länder wie die Slowakei oder Zypern Widerstand gegen den Plan angemeldet, Russland im Energiesektor zu bestrafen – sie sind schlicht zu abhängig von Gas aus dem Osten.
Andere Länder sind sauer auf Polen, weil es vor allem auf Kohle setzt und so die EU-Klimaziele gefährdet. Wieder andere haben sich gegen Alternativen wie das Schiefergas ausgesprochen. Für einen verstärkten Ausbau der Schiefergas-Förderung hatte zuletzt EU-Energiekommissar Günther Oettinger plädiert. Auch Deutschland solle Fracking einführen, so der CDU-Mann – doch Umweltschützer und Grüne laufen dagegen Sturm.
Auf Widerstand stößt auch Oettingers Plan, die südeuropäische Erdgasleitung South Stream zu verhindern. Sie soll mit russischem Gas gefüllt werden. Da zieht Bulgarien nicht mit, weil das Land von der Leitung profitiert.
Effizienz und Erneuerbare reichen nicht
Allein mit mehr Energieeffizienz und Erneuerbaren wird sich eine Energieunion nicht machen lassen. Und bis die EU alternative Gasquellen etwa aus Algerien oder Aserbaidschan erschlossen hat, können Jahre vergehen. Auch die von Tusk erhofften Gaslieferungen aus den USA sind keine Patentlösung – derzeit sind die Kapazitäten für Flüssiggas einfach noch zu niedrig.
Großbritannien brachte am Dienstag eine neue Idee auf: Die sieben größten Industrieländer (G 7) sollten einen „Energie-Plan“ erarbeiten, um Russlands Macht zu brechen, so Energieminister Ed Davey. Allerdings hat auch diese Idee einen Haken: Davey will sogar Atomstrom aus Japan nutzen. Fukushima lässt grüßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt