Vorstoß des Hamburger Justizsenators: Containern soll legalisiert werden
Justizsenator Till Steffen will Lebensmittelrettungen entkriminalisieren. Alternativ könnte ein Wegwerfverbot für Nahrung kommen.
In Deutschland werden jedes Jahr riesige Mengen von Lebensmitteln in den Müll geworfen. WissenschaftlerInnen der Universität Stuttgart zufolge werden in Deutschland jährlich fast 13 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt, der Naturschutzorganisation WWF geht gar von jährlich mehr als 18 Millionen Tonnen aus. SammlerInnen, die Lebensmittel aus dem Müll holen, werden immer wieder vor Gericht gestellt.
„Dass Menschen auch noch strafrechtlich verfolgt werden, die beim Containern gegen diese Verschwendung aktiv werden, finde ich falsch“, sagte Steffen. Nach derzeitiger Rechtslage sind Lebensmittel in Müllbehältern nicht besitzlos, sondern ein „Übereignungsangebot“ der EigentümerInnen an Entsorgungsfirmen. Da es sich um eine rechtliche Grauzone handelt, fallen die Urteile unterschiedlich aus. In München zum Beispiel wurden AktivistInnen zu Sozialstunden und Geldstrafen auf Bewährung verurteilt. Zuletzt waren Mitte März LebensmittelretterInnen in Hannover freigesprochen worden.
Um solchen Verfahren ein Ende zu bereiten, beschreibt der Hamburger Justizminister in der Beschlussvorlage für Tagesordnungspunkt 11 der Konferenz verschiedene Wege: eine Änderung des Strafgesetzbuches, indem die entsprechenden Paragrafen gestrichen werden, oder des Bürgerlichen Gesetzbuches, indem der Begriff der Eigentumsaufgabe neu gefasst wird. „Noch nachhaltiger wäre natürlich eine Lösung, die verbietet, noch genießbare Lebensmittel überhaupt wegzuwerfen“, sagte Steffen. Denn damit würde sich das Containern erübrigen.
Bundesjustizministerium für Umsetzung zuständig
In Frankreich gibt es bereits ein Gesetz, dass Supermärkten mit einer Fläche von mehr als 400 Quadratmetern verpflichtet, eine Partnerschaft mit einer Hilfsorganisation abzuschließen, die unverkaufte Lebensmittel abnimmt. Auch in Tschechien müssen LebensmittelhändlerInnen unverkaufte Waren spenden.
Ob die JustizministerInnenkonferenz dem Antrag aus Hamburg zustimmt, ist offen. Sollte das geschehen, wird der Beschluss dem Bundesjustizministerium übermittelt, das für die Umsetzung zuständig ist. Der Hamburger Justizminister ist nicht der erste, der für eine Legalisierung ist. Die Linkspartei im Bundestag etwa hat im Februar in einem Antrag die Entkriminalisierung von Containern gefordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern