Vorsitz des Vereinigten Russlands: Putins neue Machtbasis

Der Chef der stärksten Partei führt die Regierungsgeschäfte - gilt auch für Russland, was in Demokratien üblich ist?

In knapp drei Wochen wird Staatspräsident Wladimir Putin die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Dmitri Medwedjew übergeben. Bild: dpa

MOSKAU taz Der formale Machttransfer in Russland ist bald abgeschlossen. In knapp drei Wochen wird Staatspräsident Wladimir Putin die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Dmitri Medwedjew übergeben. Danach wird er sich vom Parlament zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Vorsitzender der Partei Vereinigtes Russland ist er seit Dienstag.

Zwar ist der künftige Staatspräsident Medwedjew ein enger Vertrauter Putins und war dessen Wunschkandidat. Dennoch könnte er sich früher oder später von seinem Förderer lösen und die Macht für sich beanspruchen.

Dass Putin nun den Vorsitz des Vereinigten Russlands übernimmt, deutet darauf, dass er sich nicht mit einer untergeordneten Rolle abzufinden gedenkt. Zwar diente die Partei, in der vornehmlich Funktionäre und politische Amtsträger beheimatet sind, als Wahlverein des Kremls, um sich die Botmäßigkeit des Parlaments zu sichern. Doch mit Putin gewinnt sie an Legitimität und Einfluss, zumal mit einer Aufwertung der Partei eine Stärkung des Parlaments verbunden ist, in dem sie über zwei Drittel der Mandate verfügt. Gegen deren Willen ist beispielsweise eine Entlassung des Ministerpräsidenten nicht möglich.

Der Übergang zu einem neuen parlamentarischen Regierungssystem, wie es in den Reden der Parteifunktionäre anklang, ist nicht der wesentliche Grund für die Veränderung. Mit Hilfe der Partei will sich der angehende Ministerpräsident Putin auch die Kontrolle über die Regionen sichern. Denn bislang kontrollieren die Gouverneure, die sich traditionell am Kreml orientieren, auch die regionalen Parteigliederungen. Das soll sich nun ändern: Anstelle der Gouverneure sollen künftig ausgewählte Kader die Regionalverbände der Partei leiten.

Ob dieser Plan gelingt, ist noch nicht sicher. Es zeigt aber das Bemühen Putins und seiner Gefolgschaft, ein Gegengewicht zum künftigen Staatspräsidenten Medwedjew zu schaffen. Langfristig wäre die Partei sogar mächtiger, wenn es ihr gelänge, sich von der Bevormundung und Gängelung durch den Staat zu befreien. Denn bislang fehlen ihr trotz der angeblich zwei Millionen Mitglieder noch Kraft und Attraktivität einer Partei mit Massenrückhalt. Bislang tritt in sie ein, wer in Wirtschaft und Politik Karriere machen möchte. Die Möglichkeit, dass sich Vereinigtes Russland zu einer Staatspartei wie der KPdSU entwickelt, ist nicht ausgeschlossen. Die Verbindung aus Premierminister und Staatspartei würde die Kompetenzen des Präsidenten langsam aushöhlen. Damit wäre die Funktionstüchtigkeit der Machtvertikale des Kreml gefährdet. Medwedjew müsste sich dann nach anderen politischen Kräften umschauen, die bislang nicht an der Macht beteiligt waren.

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