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Vorsicht aus Deutschland

In Straßburg wurde gestern ein neuer Entwurf zu einer Bioethik-Konvention vorgestellt. Nur Deutschland stimmte dagegen  ■ Aus Straßburg Christian Rath

Straßburg (taz) – Noch in diesem Herbst soll die umstrittene Bioethik-Konvention des Europarates verabschiedet werden. Gestern stellte in Straßburg der vorbereitende Lenkungsausschuß einen neuen Entwurf des vor allem in Deutschland umstrittenen völkerrechtlichen Vertrages vor. Am Ende einer einwöchigen Sitzung stimmten 31 Staaten für den Entwurf, Deutschland stimmte dagegen, Belgien und Zypern enthielten sich.

Günter Belchaus, der Leiter der deutschen Delegation, stellte im Anschluß an die Abstimmung jedoch klar, daß der jetzt vorliegende Entwurf „viel besser“ sei als der Vorgänger aus dem Jahr 1994. Die deutsche Delegation habe vor allem aus formalen Gründen mit „Nein“ gestimmt. „Der neue Entwurf muß in Deutschland erst mit den gesellschaftlichen Gruppen diskutiert werden.“ Belchaus, ein Ministerialrat aus dem Bonner Justizministerium, erinnerte an den Aufschrei vor zwei Jahren, als der erste Entwurf bekanntgeworden war. Kurz vor den Bundestagswahlen hatte sich sogar die Bundesregierung an die Spitze der Protestbewegung gestellt.

Zwei Punkte sind es vor allem die Belchaus zur Vorsicht motiviert haben. Zum einen erlaubt die Konvention immer noch die Forschung mit Embryonen. So heißt es jetzt lediglich: „Wenn das (nationale) Gesetz die Forschung mit Embryonen im Reagenzglas erlaubt, muß es adäquaten Schutz für den Embryo vorsehen.“ Hier war keine strengere Haltung unter den Staaten möglich. Während in Deutschland und einigen skandinavischen Ländern die Embryonenforschung verboten ist, ist sie in Großbritannien erlaubt.

Eine dritte Gruppe von Staaten, die sich um Frankreich gruppierten, wollte Forschung zulassen, die dem Embryo nicht schadet. Einigkeit bestand nur darüber, daß keine Embryonen zu Forschungszwecken erzeugt werden dürfen – eine schwache Einschränkung, da die moderne Fortpflanzungsmedizin ständig ein Überschuß an Embryonen produziert. Der zweite Streitpunkt betrifft die Forschung an nichteinwilligungsfähigen Personen, die nicht ihnen selbst zugute kommt. In Deutschland sind solche Forschungen unter bestimmten Voraussetzungen mit Kindern erlaubt, nicht aber mit geistig Behinderten. Der Konventionsentwurf wurde gegenüber der ersten Version inzwischen deutlich verschärft, bleibt aber immer noch hinter der deutschen Rechtslage zurück. Zulässig sollen nun etwa Forschungen mit Alzheimerkranken sein, wenn diese später anderen Alzheimerkranken zugute kommen können. Klargestellt ist allerdings, daß eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und, wo möglich, auch des Kranken erforderlich ist.

Um die öffentliche Akzeptanz zu erhöhen, hat der Vertragsentwurf inzwischen einen neuen Namen erhalten. Statt von einer „Bioethik-Konvention“ soll zukünftig von der „Konvention über Menschenrechte und Biomedizin“ gesprochen werden. Wichtig war dem Lenkungsausschuß, daß der Begriff „Menschenrechte“ bereits im Kurztitel der Konvention auftaucht. Was unter „Biomedizin“ zu verstehen sei, konnte allerdings auf Anhieb niemand erklären.

Gerade im Hinblick auf die deutsche Öffentlichkeit betonte der Lenkungsausschuß nachdrücklich, daß die Konvention lediglich Mindestanforderungen enthalte. Weitergehende nationale Vorschriften könnten beibehalten werden. Dies war zu Beginn der öffentlichen Debatte häufig mißverstanden worden.

Der Konventionsentwurf wird im September der parlamentarischen Versammlung des Europarats vorgelegt, die eine (unverbindliche) Stellungnahme abgeben kann. Im Oktober soll dann das Ministerkomitee des Europarates darüber beschließen. Stimmen mehr als zwei Drittel der inzwischen 39 Staaten der Konvention zu, ist sie zustande gekommen. Nationale Verbindlichkeit erhält sie aber erst, wenn die nationalen Parlamente sie auch ratifizieren.

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