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Vorsehung und Tunnelbau

■ Eine Denkschrift des Pariser Bauingenieurs de Gamond aus dem Jahre 1867

Anläßlich der Weltausstellung von 1867 präsentierte der Pariser Bauingenieur Aimé Thomé de Gamond dem interessierten Publikum eine „Denkschrift über die Pläne des neuen Projekts eines Unterwasser-Tunnels zwischen England und Frankreich“.

Zunächst hatte der brave Mann lebensgefährliche Tauchübungen durchgeführt, um sich eine Vorstellung von der Beschaffenheit des Kanalbodens zu machen. Dann hatte er verschiedene detaillierte Pläne ausgearbeitet, um in einem Zeitraum von 15 Jahren einen Tunnel zum europäischen Festland zu graben.

Mit seinem auf der Weltausstellung vorgestellten Plan machte er bereits den sechsten Versuch, das von den Zeitgenossen mit großer Skepsis betrachtete Vorhaben zu realisieren. Zum Betreiben der Bohrmaschinen sollte der Druck des Wassers genutzt werden. Wir dokumentieren das Vorwort, in dem sich die Feder des homo faber an der Tunnel-Vision berauscht.

Gott hat gewollt, daß es Nationen gibt. Die göttliche Vorsehung hat sie über die Erde verstreut und von Anbeginn durch Hindernisse getrennt, um ihre Wiege zu schützen: hier hohe Berge, dort tiefe Ströme, anderswo Wüsteneien oder Ozeane. Fürwahr — diese anfängliche Isolierung war notwendig für den harmonischen Plan des Allerhöchsten. Nur so war es jeder Gruppe vergönnt, in Ruhe ihren Rassentyp, ihren eigenen Charakter und ihre Besonderheit zu entwickeln.

Später dann, als diese ursprüngliche Anordnung durch enge Bande gestärkt war, trat bei den primitiven Völkerschaften ein Drang nach Expansion auf: zunächst mittels des Krieges und der Verwüstung; später durch die Religion und den Handel. Wenn sich unsere junge Menschheit auch, insgesamt gesehen, noch in einem frühen Stadium des moralischen Fortschritts befindet, wenn der Mensch als Ebenbild Gottes noch eine rare Erscheinung in der Masse ist, so scheinen doch schon einige Nationen erwachsen und befähigt genug, einen würdigen Platz im harmonischen Konzert der Völker einzunehmen.

Wir haben ein manifestes Zeichen für den religiösen Geist unserer Zeit darin gesehen, daß alle Nationen danach streben, die natürlichen oder künstlichen Hindernisse, hinter denen sich ihre Antagonismen verbargen, niederzureißen.

Man nehme nur die gegenwärtigen Anstrengungen, die Hindernisse auf den Handelswegen der Völker zu beseitigen: man ist dabei, die Suez-Meerenge zu durchschneiden, ein Kanal im amerikanischen Isthmus ist in Vorbereitung, der Durchbruch der Alpen wird in absehbarer Zeit beendet sein. Schließlich nun das Projekt einer Landverbindung zwischen England und dem europäischen Kontinent mittels einer unterirdischen Spur unter der Meerenge von Dover, dem diese Denkschrift gewidmet ist.

Noch scheint sich ein Gefühl von parteiischem Widerwillen gegen diese großen Unternehmungen zu regen. Es kommt von jenen letzten Vertretern des alten Geistes der Rivalität, die einst die Regierungen aus persönlichen Ambitionen oder nichtiger Volkstümelei untereinander trennte. Diese blinden Helden der Vergangenheit sind jetzt verschwunden und haben einer Generation von Staatsmännern Platz gemacht, die von dem Willen nach einer fruchtbaren Befriedung durchseelt sind.

England war zu lange von der allgemeinen europäischen Entwicklung abgeschnitten und hat seine Insellage zum Ausbau des eigenen Wohlstands ausgenutzt. Dann breitete es seine Überlegenheit auf den Meeren aus und verstreute seine Kinder auf alle Erdteile. Heute ist diese große Nation unwiderruflich in das wirtschaftliche Konzert Europas eingetreten. England ist zu einem der solidesten und fruchtbarsten Pfeiler der europäischen Wirtschaft geworden.

Doch um von der modernen Teilung der Arbeit wirklich zu profitieren, muß England selbst eine Kontinental-Nation werden, genauso wie die spanische und italienische Halbinsel. Ansonsten könnten seine großen Handelshäfen und Industriestädte nicht so wie andere Völker von dem neuen Transportmittel profitieren, das überall vorandringt: der Eisenbahn. Übersetzung: smo

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