Sanssouci: Vorschlag
■ Zen in Dahlem
Foto: Katalog
Mit einem trockenen Laut schlägt jemand zwei Holzstücke gegeneinander. Drei Uhr nachts. Die Mönche des Tenryûji-Klosters haben ein paar Minuten Zeit, um die „Höhle des Löwen“, so heißt die große Meditationshalle, zu erreichen und Lotushaltung anzunehmen. Schließlich geht es um nichts weniger als den Sprung ins satori, ins Erwachen. Und dazu bedarf es der täglichen und nimmermüden Übung in zazen, der Sitzmeditation. Ihr Rhythmus bestimmt den Ablauf des Tages, der früh morgens beginnt und gegen zehn oder elf Uhr abends endet. In der übrigen Zeit schreibt die Regel jedem Mönch den Einsatz im klösterlichen Gemüsegarten vor und an manchen Tagen den gemeinsamen Bettelgang.
Eine Ausstellung im Museum für Völkerkunde beschreibt, soweit es möglich ist, sehr eindringlich den Alltag in einem der ältesten Klöster Kyotos. Zu den unverzichtbaren Beigaben einer Sachkultur (in der Terminologie der Ethnologen) wie Strohsandalen, Bambushüten und Räucherstäbchenhaltern, den Schlagbrettern des Weckdienstes und einer Rasiergarnitur zum Kahlscheren des Kopfes, hat man eine kleine Meditationshalle nachgebaut. Das einfühlende Probesitzen ist leider nicht gestattet. In einem zweiten Raum erzählt eine Bild-Serie des japanischen Fotografen Hiroshi Moritani in kurzen Sequenzen die einzelnen Tagesabschnitte. Karg, subtil bis in die Schwärzen, vollziehen die Bilder nicht nur den Alltag nach, sondern der Betrachter darf sich gleichsam in die kühle Distanz allem Weltlichen gegenüber versenken. Daneben wird uns endlich auch die korrekte Verwendung der ausgestellten Accessoires erläutert, wie die des „Ermahnungsstockes“ aus japanischer Eiche, ein Mittelding aus Holzschwert und Schuhanzieher, das von der Hand des Aufsehers unweigerlich auf den gekrümmten Rücken des eingenickten Mönches niedergeht. Harte Sitten auf dem Pfad zur Erleuchtung. Die abschließende Verbeugung voreinander, heißt es, erfolge in vollkommener Würde. Thomas Fechner-Smarsly
Zen und die Kultur Japans, Klosteralltag in Kyoto. Museum für Völkerkunde Dahlem, Lansstraße 8. Bis zum 27. Februar 1994. Sorgfältiger Katalog, mit 100 Fotografien in Duoton, 34 DM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen