Sanssouci: Vorschlag
■ Die US-Band Freakwater fiddelt im Huxley's Jr.
Auf Irrwegen befindet sich, wer glaubt, heute abend im Huxley's würden in guter Eleventh-Dream-Day-Tradition die lärmigen, über- und untereinandergelegten Gitarren eingestöpselt. Denn die amerikanischen Bands Freakwater und Eleventh Dream Day haben zwar die Musikerin Janet Bean Beveridge gemeinsam, doch hat diese bei Freakwater ihr gewohntes Schlagzeug gegen Gitarre und vor allem Gesang eingetauscht, um lupenreinen Country- und Bluegrass auf die Bretter zu bringen. Zusammen mit ihrer Freundin Catherin Ann Erwin gibt sie diesem größtenteils männerdominierten Genre ihre eigene, wunderschön zweistimmig harmonierende Note und macht eine Musik, die man sich gut in den Räumen eines staubig-abgeschiedenen Saloons vorstellen kann.
Von Nebenprojekt dürfte kaum noch die Rede sein, denn kürzlich haben Freakwater ihr mittlerweile drittes Album veröffentlicht: „Feels Like The Third Time“, so (auch) der Titel. Und da werden dann wieder zur Genüge die ewig gleichen, oft sehr alltäglichen Geschichten von gescheiterten, einsamen und komischen Vögeln erzählt; von Besuffkis, Verrückten, aber auch von ganz mittelmäßigen Leuten, die es in die Fremde zog, nur um immer wieder an den Ort der frühesten Erinnerung zurückzukehren. Geschichten und Erzählungen, die laut Janet in ihrer ganzen Einfachheit „etwas universell Gültiges haben“, die trotz Coca, „Burger Barn“ und Grunge von Generation zu Generation weitergegeben werden und zur Urtradition jenes Endora/Iowa gehören. Genau wie die Musik, die dazu gespielt wird, mit ihrem Schwergewicht auf Fiddeln, Banjos, Mandolinen und den speziellen fancy guitars.
Selbst wer Punk oder Rock'n'Roll mit der Muttermilch aufsaugt, muß dem Tradierten also nicht gleich verständnislos und ignorant gegenüberstehen. Auch Bands wie die Bad Livers, Uncle Tupelo oder Cordelias Dad verbinden Punk mit althergebrachten Musikformen, während eine, nun ja, Frauenband wie Freakwater sich an der puren und reinen Lehre des Bluegrass- und Western-Sounds versucht. Was irritieren kann, manchmal aber auch dazu führt, ganze Monaden „alter“ und „anderer“, oft verschütteter, in jedem Fall dem schnell verstoffwechselnden Pop-Hirn verschlossen bleibender Musiken kennen und lieben zu lernen. Also sattelt pfundweise Zeit und Aufmerksamkeit und gebt Euren Pferden die Sporen! Gerrit Bartels
Heute, 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Neukölln
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