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■ Kangas – Sprechende Tücher aus Ostafrika: Eine Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt

Buntbedruckte Wickeltücher – Kangas – aus Ostafrika gestalten zur Zeit das Foyer im Haus der Kulturen der Welt. Leicht wehen die siebenundvierzig, von der Decke versetzt abgehängten, durchscheinenden Kangas im oberen Drittel der Eingangshalle. Wechselnde Lichtverhältnisse erzeugen immer wieder neue Effekte der Farben und Muster. Die Motive wechseln von geometrisch-abstrakten Ornamenten bis hin zu organisch-naturnahen Darstellungen. Zentraler Blickfang ist eine Anordnung von Kangas in Erdtönen. Doch die vielfältigen Designs sind nicht nur schön anzusehen, sondern enthalten verschlüsselte Symbole und Botschaften der Swahili: Aphorismen ihrer Alltagskultur. Kangas sind seit hundert Jahren ein Modeschlager, speziell bei Swahili-Frauen in Ostafrika. Die Sinnsprüche auf den Kangas teilen persönliche, poetische oder auch politische Ansichten mit und vermitteln gesellschaftliche Regeln. „Kanga ist ein Kleidungsstück für den Alltag, nimmt aber in der Wertschätzung der Swahili-Frauen einen großen Stellenwert ein. Das hängt mit den vielseitigen Funktionen zusammen“, erläutert die Ausstellungsmacherin und Soziologin Elisabeth Linnebuhr.

Kangas dienen den Swahili-Frauen als traditionelles „Sparkonto“ und können in Notzeiten verkauft werden. Je mehr eine Frau besitzt, desto größer ist ihr Prestige. Besonders die Frauen verwenden Kanga-Botschaften als Kommunikationsmittel im Alltag. Die Inhalte sind bissig, witzig oder auch ironisch. „Nicht wegen der Schönheit, nicht wegen des guten Benehmens, aber was macht dich so stolz?“ – Das Kanga-Geschenk einer Schwiegermutter anläßlich der Geburt des dritten Kindes an die Schwiegertochter; eine Botschaft, die eine Kränkung, eine versteckte Kritik beinhaltet. „Ein Kanga-Text kann zum Reden auffordern“, merkt Elisabeth Linnebuhr an, „wird zunächst aber mit einem passenden Kanga-Spruch erwidert.“ In diesem Fall lautet die Antwort: „Ich toleriere Böses, Worte haben keine Narben.“

Die provokanten Aufschriften können einerseits Kontakt oder Dialog fördern, andererseits auch Eingriffe in den Privatbereich abwehren. „Mische dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen“ oder „Dein Unfrieden ist mein Segen“ sind weitere Beispiele für die Kommunikation im Alltag. Mit Fotos und Texten versehene Stellwände vermitteln Informationen über die Ikonographie des Kanga-Tuchs, erläutern Botschaften und Episoden und geben Auskunft über ihren vielseitigen Gebrauch. Gabriele Hansch

Noch bis 7.8., geöffnet Di.–So. und feiertags, 11–23 Uhr, im Foyer des Hauses der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles- Allee 10, Tiergarten.

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