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■ VorschlagIm Literaturforum im Brecht-Haus geht es um „Dominanzkultur“

Das Literaturforum im Brecht-Haus macht unspektakuläre Veranstaltungsreihen. Man setzt hier eher auf Kontinuität als auf Drittmittel für literarische Großfeuer. Beeindruckend etwa die Reihe „Lebenszeugnisse“: Gespräche des Antisemitismusforschers Wolfgang Benz mit Überlebenden des Holocaust. Auch die Veranstaltungen des Bibliothekars Uwe Michel gehören inzwischen fest dazu. Zum dritten Mal findet momentan seine Reihe zum Leben und Schreiben in der Mehrsprachigkeit statt: mit Gästen aus Italien, dem Iran, Österreich, Palästina, der Türkei, Vietnam und Deutschland. Die Abende zu „Migration und Dominanzkultur“ sind diesmal deutlich politischer als die Literaturveranstaltungen der letzten zwei Jahre. Wie kommt es, fragt Michel, daß Multikultur in Deutschland eher in einem Nebeneinander von Monokulturen besteht.

Heute abend soll es darauf einige Antworten geben. Die Dortmunder Psychologin Berrin Özlem Otyakmaz wird von ihren Gesprächen mit jungen Türkinnen der zweiten Generation in Deutschland erzählen. Auf die Frage, ob sie ihren deutschen Schulfreundinnen erzählt, wie sie ihre Eltern austricksen muß, um mal länger wegbleiben zu können, antwortete ihr etwa Aylin: „Also vorstellen könnt ich's mir schon. Aber ob die es auch verstehen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Man erklärt es denen, und entweder wollen sie es nicht verstehen, oder sie verstehen es wirklich nicht. Natürlich gibt es auch durchaus Deutsche, die das verstehen. Aber auch nur, nehm' ich mal an, die Deutschen, die auch etwas Kontakt mit türkischen Familien haben.“ Das ist ganz schön differenziert. Und mit dem Begriff der Dominanzkultur ist dem, hoffe ich, nicht beizukommen.

Michel hat diesen Begriff bei Birgit Rommelspacher gefunden, Professorin an der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialpädagogik. Letzte Woche hat sie ihn im Brecht-Haus erklärt. Ziemlich fürchterlich. Die sozialpsychologische Version einer Mikrophysik der Macht. Foucault wird zurückgenietzschelt in ressentimentgeladene dekadente Christenmenschen, alles willing/unwilling executioners ihres eigenen Bemächtigungswahns. Kann ja sein. Aber Rommelspacher gibt zum Glück auch den Rat, sich ihre Theorie „bewußt zu machen“ und dann (um mit Aylin zu sprechen) am besten „etwas Kontakt mit türkischen Familien zu haben“. Fritz v. Klinggräff

Dominanzkultur und Migration, heute und morgen, 20 Uhr, Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestraße 125, Mitte

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