■ Vorschlag: Beckett Endspiel Hellschwarz - Die Bennents im Hebbel Theater
Ein wunderbar leichter Abend. Hamm sitzt, einem Märchenerzähler gleich, auf einem Hügel. Er kann nicht gehen, keinen mehr verlassen, nur verlassen werden. Clov umstreicht ihn krähenartig, ruhelos und ergebenheitsschwer. Vater und Sohn im wirklichen Leben, im Stück ist die Verwandtschaft eine gewählte. Der eine kann nehmen, warten, ein, zwei Geschichten mit Flügeln versehen, der andere muß geben, widerständig, seinen Platz buchstabierend, während er der Generationsfolge genüge tut. Zwei Altersstufen an ihren Platz gefesselt, einer im Mittelpunkt, der andere ihn umkreisend, können sie ihre Bosheiten des Alltags wie Sand auf glatte Straße streuen, aufeinander bezogen mit Händen und Füßen nach Freiheit greifend. Das Versprechen von Nähe enthält den Schmerz des Verlustes, Freiheit an sich ist ein amputierter Zustand.
David und Heinz Bennent spielen Clov und Hamm. Die Inszenierung von Joäl Jouanneau ist eine Koproduktion der Münchner Kammerspiele und des ThéÛtre Vidy-Lausanne. Sie nutzt die tatsächliche Verbindung von zwei Verwandten als Raum, als Spiel, dreifacher Ebenenwechsel, Spiel im Spiel im Text, zwei Schauspieler spielen Theater, sprechen den Text, als wäre er ihr Alltag, den sie jederzeit verlassen können, aber nicht müssen. Heinz Bennent als Hamm ist das Zentrum des Geschehens, als Lahmer und Blinder versteht er es, auf dem dünnen Grat einer unausgesprochenen Hoffnung zu wandeln, seine in Ruhe wurzelnde Stimme über die Sätze zu schicken, daß man ihnen getrost folgen möchte. David Bennent, Clov, ist immer der Sohn – mehr als ein Schauspieler. Hier verläßt die Inszenierung sicheren Boden, trägt eine Fremdheit aus, die echt sein könnte. Auch die beiden Eltern in ihren Mülltonnen, die kleinwüchsige Mireille Mossé und der kleinverwachsene Jean-Claude Grenier, verlassen durch ihre physische Bildlichkeit die Bühnenwirklichkeit. Sie sind weniger Greise als altkluge Kinder, in der Generationsfolge das jüngste Glied. Seine Stagnation in der Tonne, ihr Tod dunkeln diesen Versuch „Endspiel“ von den Rändern her wieder ein.
Die Bühne ist offen, kein Innenraum. Eine gebrochene Mauer, Rest eines Hauses, schirmt den Blick von der dahinter liegenden Fläche ab. Ein Geheimnis, eine Hoffnung, eine Beruhigung. David Baltzer
„Endspiel“, bis 30.12., Hebbel Theater, Stresemannstraße
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