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■ VorschlagFotos aus Landsberg im DHM

„Wer einen anderen Glauben als den römischen im Herzen hat, muß es verschweigen“, hat der französische Philosoph Montaigne 1580 über Landsberg am Lech gesagt. Landsberg, in den zwanziger Jahren 10.000 Einwohner, davon 80 Prozent römisch-katholischen Glaubens, eine Hochburg der Intoleranz? Montaignes Satz ist einer Fotoausstellung im Deutschen Historischen Museum vorangestellt: „Ein Ort wie jeder andere. Bilder aus einer deutschen Kleinstadt. Landsberg 1923-1958“. Mit 170 privaten und offiziellen Aufnahmen versucht man dem seltsamen Schicksal des bayerischen Städtchens näherzukommen. Bekannt wurde der Ort, weil Adolf Hitler nach dem Münchner Putschversuch von 1923 in der hiesigen Festung einsaß, „Mein Kampf“ schrieb und vorzeitig entlassen wurde.

Der Fortgang ist Geschichte: 1934 wird Hitlers Zelle zur nationalen Gedenk- und Weihestätte erklärt, der Marktplatz ertrinkt im Fahnenmeer. Es folgen Bilder eines geheimen unterirdischen Bauvorhabens der Organisation Todt; der Kriegsverlauf soll noch gewendet werden. Scharen von Zwangsarbeitern werden eingesetzt, 15.000 Menschen sterben allein in den Landsberger Außenlagern des KZ Dachau. Nach der Befreiung finden die Amerikaner Massengräber. Dann Entnazifizierung: Die Einheimischen werden mit den Lagern konfrontiert. Die Festung dient als War Criminal Prison No 1 – man sieht Bilder von Flick, von Weizsäcker, die auf ihre Prozesse warten, doch bald entlassen werden. In Landsberg entsteht das größte jüdische Displaced-Person-Camp in der amerikanischen Zone, das KZ-Gelände dient nun als Kibbuz. Zuletzt ziehen die Amerikaner ab; das War Criminal Prison wird Justizvollzugsanstalt.

„Ein Ort wie jeder andere“ heißt die Ausstellung, und tatsächlich bekommt man einmal mehr jenen „grobkörnigen“ Abriß deutscher Geschichte präsentiert – 35 Jahre in 170 Bildern. Statt einer pointiert individualisierten Sicht auf Stadt und Bewohner hat das Fritz-Bauer- Institut, das die Fotografien zusammengestellt hat, einen Schnelldurchgang durch die jüngere Geschichte unternommen, in dem das Spezifische doch austauschbar bleibt. Alexander Musik

Bis 6. Mai, im Zeughaus, Unter den Linden 2

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