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■ VorschlagTel Aviv in Blau und Grau: Amazing Grace von Amos Gutman

„Amazing Grace“ Foto: Verleih

Das Tel Aviv von Amos Gutman hat zwei Farben, Blau und Grau, am besten noch in Nuancen vermischt. Man bewegt sich deutlich in einer schattenhaften Zwischenwelt, im Zwielicht unaufgeräumter Wohnungen, am Sterbebett der Großmutter oder inmitten einer notgeilen Dämmergesellschaft am Bartresen. Zwei Männer begegnen sich hier, der knapp volljährige Jonathan (Gal Hoyberger), enttäuscht von seinem untreuen Liebhaber Miki (Aki Avni), und der etwas ältere Thomas (Sharon Alexander). Diesen Thomas, gerade mit resignierter Attitüde aus New York zurückgekehrt, umhüllt eine undurchdringliche Schicht aus Schweigen und mysteriösem Verfall. Der Mann geht scheint's von irgendwo nach nirgendwo.

Als Auch-Darstellung eines offensichtlich aidsinfizierten Heimkehrers, dessen Krankheit aber mit keinem Wort genannt wird, sorgte der Film in Israel für sehr kontroverse Reaktionen.

Die Absicht Gutmans, gerade die tabulastige Sprachlosigkeit und das allmähliche Verstummen seiner Figuren voreinander bloßzulegen, wurde dabei übersehen. Sein Film ist hierbei längst kein Bilderbogen lethargischen Leidens, sondern nur in hohem Maße um Empathie bemüht. Neben der schwulen Liebesbeziehung kreist die Geschichte – auch hier eher indirekt – um den Generationskonflikt zwischen Überlebenden des Holocaust und der ersten und zweiten Generation der Kinder beziehungsweise Enkel.

So hat Thomas' kränkelnde Großmutter ihr Zimmer zu einer Zwingburg mit trotziger Bewohnerin umfunktioniert. Während sie sich die eigene Tochter mit bissigen Kommentaren vom Leib hält, darf nur ihr Enkel gelegentlich in ihre Nähe, Bücher vorbeibringen und zuhören.

„Amazing Grace“ war der vierte und letzte Film des in Ungarn geborenen Gutman. 1993 starb er an Aids. Gudrun Holz

„Amazing Grace“, ab heute im Xenon, Schöneberg

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