piwik no script img

■ VorschlagFrauen fördern die Täuschung: Goldrausch im Kunstamt Kreuzberg

Auch wenn die Zeiten für die Kunst nicht golden sind, der Produktionsfluß des von der Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen geförderten Künstlerinnenprojektes rauscht stetig weiter. Nun also Goldrausch VIII, wie das künstlerische Frauennetzwerk genannt wird, die Ausstellung der von einer Jury gewählten 15 Künstlerinnen des Vorjahres, die gemeinsam die Räume des Kunstamtes Kreuzberg bespielen. Durchaus wörtlich zu nehmen, die Präsentation geht in überzeugender Weise auf das vorgegebene verwinkelte und entsprechend variantenreiche Ambiente ein: mit Malerei, Skulptur, aber auch Foto- und Videoinstallationen, Diaprojektionen und Dokumentationen.

Physisch präsent sind die 15 Künstlerinnen in der Arbeit von Tine Steen. Sie hat sich und ihre Kolleginnen bildhauerisch porträtiert. Und damit ein bemerkenswert lebendiges Ensemble geschaffen, vom überlebensgroßen Kopf, über Büsten und Sitzfiguren bis zu stelenhaften Ganzporträts. Alle sind farbig gefaßt und aus Holz, Pappmaché, Wachs, Ton, Styropor, Draht und Silikon gebildet. Einen Gegenpol zu diesen haptischen Werken bilden die Plastiken von Anna Werkmeister, deren kühle Ästhetik in geometrischen Versuchsreihen gründet. Sie nimmt Acrylglas, Holz und den Werkstoff MDF und reduziert ihre Objekte auf wenige, bausteinhafte Formen. Dabei entsteht ein Wechselspiel aus Zapf- und Steckverbindungen, mal lichtdurchlässig, mal opak.

Auch andere Künstlerinnen arbeiten in Serien und Strukturen. Martina Debus bedient sich eigener und vorgefundener Strichzeichnungen, die sie als „Liniencluster“ gleichsam archiviert und als automatisch-digitale Zeichnung per Diaprojektor vorführt oder als Raumgestaltung über dem Eingang plaziert. Gundula Friese führt in ihrer Fotosequenz „Absenzen“ Menschen in wechselnden Situationen, Haltungen und Stimmungen vor. Eine subjektive Bestandsaufnahme, deren besondere Ausstrahlung darin liegt, daß es übergroß abgezogene Polaroidfotos sind. Eine „Bestandsaufnahme“ anderer Art bilden Gabriele Kahnerts Fotos von Denkmälern, Mahnmalen und Skulpturen im öffentlichen Raum Berlins. Die Lichtbilder sind nicht kunsthistorisch inszeniert, sondern wie von einem Flaneur aufgenommen, der die über Jahrzehnte angesammelte Stadtmöblierung gleichsam beiläufig in ihrer wie zufällig verstreuten Präsenz problematisiert. Ein Spiel mit optischen Täuschungen betreibt Friederike Feldmann, die buntgemusterte Seidentücher verschiedener Städte auf Holz malt und als ausgeschnittene Silhouetten präsentiert. Direkt in pastosen Farben auf die Wand gemalt ist ihre (Mailänder) „Scala“ – ähnlich wie die nur im Katalog abgebildeten „Orientteppiche“ sind sie kleine Wunderwerke der Täuschung und echte Originale. Michael Nungesser

Kunstamt Kreuzberg, Mariannenplatz 2, bis 5. Oktober, täglich 12 bis 18 Uhr; Katalogpaket mit 15 Einzelkatalogen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen