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■ VorschlagPaula Modersohn-Becker und die Worpsweder im ifa

Kahler Baum vor Landschaft von Paula Modersohn-Becker

Worpswede gilt noch immer als Inbegriff einer deutschen Künstlerkolonie. In dem Dorf bei Bremen hatten sich eine Reihe von Malern jenseits der akademischen Doktrin der Landschaftsmalerei verschrieben. Bekannt wurden Gemälde und Zeichnungen stimmungsvoller mystischer Landschaften von Hans am Ende, Fritz Mackensen und Fritz Overbeck, Jugendstilmotive von Fritz Vogeler sowie frühexpressive Zeichnungen von Otto Modersohn, für die sich selbst Joseph Beuys begeistert haben soll. Die Landschaften wirken authentisch, und der „Entenrupfer“ von Mackensen ist ohne Schmuck vor dunklem Hintergrund bei der Arbeit gezeigt. Ein bestechender Realismus, von dem sich ohne Vorbehalt und ideologischer Verklärung ein tatsächliches Deutschlandbild um 1900 ableiten läßt.

Landschaften spielen auch in den Arbeiten von Paula Modersohn-Becker eine Rolle. Die „Blinde Frau im Wald“ ist eigentlich eine „Klavier spielende Frau“. Der Wald im Hintergrund ist verästelt, und die Pilze am Boden möchte man für Giftpilze halten, so ungemütlich geschwärzt ist die Radierung. Die alte Frau, scheinbar dem Wahnsinn verfallen, irrt mit versunkener Miene in der Landschaft umher. Aus dem schwarzen Mantel ragen zwei knorrige Hände und spielen auf weißen und schwarzen Tasten eines Instruments, das nicht vorhanden ist. Ihr verklärter Blick sinnt schöne Töne herbei. Die alte Frau in den Arbeiten von Modersohn-Becker ist einsam und vergreist, sie wartet auf den Tod.

Zentrales Motiv von Paula Modersohn-Becker war die Frau, das Mädchen, die Mutter, die Schwangere und die Alternde, was die Künstlerin stark in ein frauenkünstlerisches Fahrwasser geraten ließ. Ein „Moorkahn“ sticht ungewöhnlich aus dem zeichnerischen Werk heraus. Auch im Vergleich zu Zeichnungen ihres Ehemannes Otto Modersohn fällt das Experimentelle, Skizzenhafte der Arbeiten Modersohn-Beckers ins Auge, mit dem sie weit über den regionalen und historischen Rahmen weist. Norman Lindner

Di.–So., 14–19 Uhr, Neustädtische Kirchstraße 15, Mitte

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