■ Vorschlag: Weihnachtliche Erstsemesterparty in der Volksbühne
Der Winter, so heißt es in Tobias Grubens letzter Abmoderation, wird kalt, der Schnee ist schon geschnitten – das Jahr wird alt, bald hat es ausgelitten. Doch bevor dieses Jahr endlich Geschichte ist, hat der Kalender das Weihnachtsfest gesetzt. Man kennt das aus dem Fernsehen: Elisen-Lebkuchen, Christkindlmarkt, überall verdächtig freundliche Menschen, und hinterher wiegt man zwei Kilo zuviel und das schöne Geld ist futsch. Was also tun? Rocken natürlich, wie den Rest des Jahres auch. Doch gab es in den letzten Jahren den einen oder anderen Knaller bereits eine Woche vor Silvester (Yo La Tengo, The Fall u.v.a.m.), so sei das diesjährige Weihnachtskonzert in der Volksbühne leider bloß den neugierigen Erstsemestern ans Herz gelegt. Here's the one for you, Studi!
Denn – hey, Student, hey, Student – an nur einem Abend präsentiert sich die Hälfte der lokalen Subkultur, weswegen sich statt vom Pizza-Essen mit Mark E. Smith nun vom Gitanes-Trinken mit Françoise Cactus und Brezel Göring träumen läßt. Dazu passen die Poptarts, die es nach drei Jahren 3-Akkorde-Dreschen in der Galerie Berlin-Tokyo demnächst zu einer zweiten Single bringen – lassen sie doch ab und zu Barbiepuppen ans Mikrophon. Aber während bei den genannten Formationen das fröhliche Verdrehen bzw. die Umwertung aller Werte mit Retro- und Punkstrategien halbwegs funktioniert, wird es danach irgendwie knapp. Der todtraurige Henning a.k.a. DJ Funky Henning ist nämlich gar nicht so zwingend lustig, wie man anhand seiner lustigen Namen meinen möchte. Plateauschuhe, gelbe Hemden und dazu keine Gitarre spielen können? Und vor allem: Die größten Hits der siebziger und achtziger Jahre in der Plattenkiste haben und sie auch noch spielen?! Det ham wa eijentlich nich so jerne.
Auch ein gewagtes Unterfangen dürften die tödlichen Zauberkünste von Manuel Muerte werden, der nicht nur der guten alten Zauberkunst den Todesstoß versetzen will, sondern gleichzeitig Gummitauben erscheinen läßt und Goldfischgläser erschießt. Dazu tröpfeln ölige Orgelklänge vom Band – doch zum Glück ist die Veranstaltung sozusagen Allianz-versichert und bringt inmitten diverser weiterer Trashigkeiten die HipHop-Bigband Allianz auf die Bühne. Wie nun zusammengeht, was doch scheinbar unvereinbar scheint, kann eigentlich nur einer so richtig gut erklären: Dr. Jürgen Kuttner, berühmt geworden durch sein „Tach, wer bist'n du?“ und seine schier unglaubliche Begabung, jeden, der aus Versehen im Radio anruft, an die Wand zu reden. Mit allen Wassern der Dialektik putzt er sich morgens die Zähne und abends den Rachen. Den Rest übernehmen der magische Fischprediger Mike „Umwälzpumpe“ Lehmann und der manische Filmemacher Jochen und jetzt – das Wetter. Gunnar Lützow
heute ab 22.30 Uhr, Volksbühne am Rosa Luxemburgplatz, Mitte
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