■ Vorschlag: Standortfaktor-Sightseeing-Tour: Im Kunst-Bus durch Berlin
„Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist grün gekrönt“ steht auf den kleinen Zetteln, die Roland Stratman auf die Pfosten des Spreegeländers klebt. Die Teilnehmer an der „Sightseeing Tour“ im BVB-Bus stehen auf der Tucholskybrücke mit Blick auf das Bode- Museum und freuen sich, weil sie erkannt haben, daß die Krone der Kuppel gemeint ist. Ein Mann guckt aus dem Fenster eines der Häuser. Er brüllt: „Aufhören!“ und, als der Künstler fertig ist: „Zugabe!“ Dann dürfen alle wieder einsteigen, und weiter geht's, quer durch Berlin-Mitte, zur nächsten kleinen Stratman-Aktion.
An den kommenden zwei Wochenenden wird der Bus durch Berlin touren und Arbeiten von acht Künstlern zum Thema „Standortfaktor“ vermitteln – eine Idee der „Stadtwald“-Gruppe Florian Urban und Ioannis Savvidis, die als Künstler mit dabei sind. Mal wird der Bus zum Transportmittel, mal zum Ausstellungsraum, mal zum Ausguck, mal zum mobilen Kunstobjekt: In der Arbeit von Chema Alvargonzalez gespenstert er – in blaues Neonlicht getaucht – jeden Abend durch die Stadt. Michael Ilg hat im Oberdeck des Busses die Scheiben abgeklebt. Durch kleine runde Löcher vermag der Mitfahrer nur Details wahrzunehmen. Patricia Pisani läßt den Bus stehen und stellt die Sitze in einer Schlange auf den Bürgersteig.
Die Haltestelle von Dimitris Tzamouranis neben dem Pavillon am Rosa-Luxemburg-Platz fungiert für alle Events als Treffpunkt. Tzamouranis, der den Bus zu einem Asylantenwohnheim chauffieren läßt, in das man aber nicht reindarf, nennt seine Arbeit über Migration, Flucht und Asyl „Rent a dream“. Die zweistündige Stadtrandfahrt von Erik Göngrich führt auf verzweigten Wegen durch die Plattenbauorte Hohenschönhausen und Marzahn und endet im Zentrum Helle Mitte in Hellersdorf mit einer Konzeptvorstellung der Mega AG über Helle Mitte, die zweitgrößte Baustelle Berlins.
Künstler prägen durch Bilder, Kommentare, Veränderungen und Irritationen unsere Städte mit, sie arbeiten auf diese Weise mit den weichen, leicht zu beeinflussenden Standortfaktoren, wie Atmosphäre, Sauberkeit und Sicherheit. Dieser Ansatz interessierte Florian Urban, der sonst auch als Stadtführer arbeitet: Für den 28.4. ist im Grünen Salon der Volksbühne eine Podiumsdiskussion mit sechs Gästen aus dem Kunst- und Baubereich geplant. Cornelia Gerner
Ticket: 5 DM, im Pavillon, Rosa-Luxemburg-Platz. Fahrten am 25. und 26.4. sowie 1.–3.5., 16–20 Uhr (Nachtfahrt 21–24 Uhr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen