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Vorschlag von „Mehr Demokratie“„Proteststimme“ für den Wahlzettel

So können Wähler ihren Unmut ausdrücken, ohne extrem zu wählen. Die Idee ist Teil eines ganzen Paketes des Thüringer Landesverband von „Mehr Demokratie“.

Wenn nur die Hälfte der Menschen wählen geht, muss sich was ändern Foto: dpa

Erfurt epd | Mit einem Katalog an Vorschlägen will der Thüringer Landesverband von „Mehr Demokratie“ die Wahlbeteiligung steigern. Zu den Themen Proteststimme, Stimmensplitting und Erleichterungen bei der Briefwahl sollen nun überparteilich Partner gefunden werden, beschloss die Landesversammlung am Samstag in Erfurt.

Nach den Vorstellungen von „Mehr Demokratie“ sollen die Wähler künftig zur Landtagswahl mehr als zwei Stimmen zur Verfügung haben. Durch ihre Vergabe nur an einen oder an mehrere Kandidaten soll es möglich sein, die von den Parteien aufgestellten Listen zu verändern, erklärte Landessprecher Ralf-Uwe Beck.

Zudem soll eine sogenannte Proteststimme eingeführt werden. Damit könnten alle Stimmberechtigten, die keine der Parteien wählbar finden oder ihren Protest gegen das Gesamtangebot ausdrücken wollen, sich dennoch artikulieren. Sie müssten ihren Unmut nicht mehr ausdrücken, indem sie eine Partei mit extremistischen Positionen wählen oder ganz zu Hause bleiben, sagte Beck. Diese „Proteststimmen“ sollten als Teil des Wahlergebnisses auch bekanntgegeben werden.

Falls vor den nächsten Landtagswahlen, voraussichtlich im Herbst 2019, keine Wahlrechtsreform mehr zustande kommen sollte, schlägt „Mehr Demokratie“ vor, die „Proteststimme“ bei den Kommunalwahlen zu erproben. Dafür wäre eine Änderung des Kommunalwahlgesetzes notwendig. „In den Gemeinden, Städten und Landkreisen ließen sich Erfahrungen mit einem modernisierten Wahlverfahren sammeln. Bewährtes könnte später für die Landtagswahl eingeführt werden“, sagte „Mehr Demokratie“-Landessprecher Beck.

Briefwahlunterlagen für alle

Um den Wahlgang zu erleichtern, könnten außerdem die Briefwahlunterlagen automatisch mit der Wahlbenachrichtigung verschickt werden. Diese Praxis sei aus der Schweiz und den USA bekannt. Die Beteiligung an den Thüringer Landtagswahlen hatte 2014 ihren Tiefpunkt erreicht. Damals gingen nur 52,7 Prozent der Stimmberechtigten in die Wahllokale. Dem gegenüber steht der Höchstwert aus dem Jahr 1994 mit 74,8 Prozent.

Der Verein warb auch für eine Reform der direkten Demokratie auf Landesebene. Zu dieser sollte die von der CDU vorgeschlagene Einführung von fakultativen Referenden gehören, aber auch eine Absenkung der Hürden für Volksbegehren und Bürgeranträge sowie die Lockerung des Finanztabus für Volksbegehren.

Der Verein „Mehr Demokratie“ ist in Thüringen seit 1998 aktiv. Der Landesverband Thüringen wurde im Januar 2010 unter anderem auch vom heutigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) gegründet. Dem Verein gehören nach eigenen Angaben knapp 300 Mitglieder an.

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3 Kommentare

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  • Eine "proteststimme" muß man gar nicht erst einführen. Bereits jetzt kann jeder, der das will, seinen Stimmzettel einfach ungültig machen.

  • Eine "Proteststimme" ist genau der falsche Weg. Nur ein Placebo, dass nicht hilft, sondern nur für zeitweilige Beruhigung sorgt. Die Bevölkerung ist schließlich nicht blöd und wird schnell merken, dass die etablierten Parteien nach der Bekanntgabe der Zahl der Proteststimmen zwar ein paar Versprechen abgeben, aber dann genau so weiter machen wie bisher. Menschen, die mit der derzeitigen Politik nicht einverstanden sind, brauchen kein Wutventil, sondern vernünftige Politikangebote.

     

    Die Idee, die Briefwahl zu erleichtern, ist begrüßenswert und den Gedanken von ICHIER, ein Punktesystem einzuführen, finde ich auch sehr interessant. Aber bitte keine Proteststimme.

  • Ich hatte mal von einer Studie gelesen, dass ein Wahlergebnis am "richtigsten" ist, wenn die Wähler Punkte verteilen, z.B. insgesamt 10, maximal 7 pro Partei. Was auch total einleuchtend ist, die Menschen würden Prioritäten setzen statt irgendeiner vermeintlichen Taktik zu folgen.