Vorschlag der SPD-Bildungsausschuss-Vorsitzenden: Länder für Schulabbrecher bestrafen
Statt zu viele Bundesgelder in nachträgliche Förderungsprogramme zu stecken, möchte Bildungspolitikerin Burchardt die Länder mehr in die Verantwortung ziehen.
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Die Länder müssen nach Ansicht der Vorsitzenden des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), "viel entschiedener als bisher" gegen den vorzeitigen Schulabbruch junger Menschen vorgehen. Ansonsten sollten sie verpflichtet werden, für jeden Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss künftig einen "nicht unerheblichen Ausgleichsbeitrag" an den Bund zu zahlen. Burchardt fordert damit indirekt, die Bundesländer für ihre verfehlte Schulpolitik zu bestrafen. Jedes Jahr verlassen etwa 80.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss.
Die SPD-Politikerin betonte: "Es ist den Beitragszahlern der Bundesagentur - also Beschäftigten wie Unternehmen - nicht länger zuzumuten, jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro für die Versäumnisse der Länder in der Schulpolitik aufzubringen." Bei vielen Jugendlichen lasse sich der Schulabbruch durch mehr Förderung vermeiden.
Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hatte im vergangenem Jahr insgesamt 3,3 Milliarden Euro für die Förderung von Jugendlichen an der Schwelle zwischen Schule und Arbeitsmarkt aufgebracht. Weit über 500 Millionen Euro wurden dabei für das Nachholen des Hauptschulabschlusses oder der Herstellung von Ausbildungsreife durch Ausbügeln schulischer Mängel gezahlt.
Burchardt verwies darauf, dass bereits mehrmals Zusagen der Kultusminister, die Schulabbrecherquote binnen weniger Jahre zumindest zu halbieren, folgenlos geblieben seien. 2006 verließen rund 77.000 junge Menschen die Schule ohne Hauptschulabschluss. Das waren 7,9 Prozent eines Altersjahrganges. Vor zehn Jahren betrug diese Quote 8,7 Prozent.
Angesichts dieser "nur schleppenden Entwicklung" müssten die Länder "viel stärker in die Pflicht genommen werden", sagte Burchardt. Der den Ländern angedrohte Ausgleichsbeitrag könne ähnlich wie der Aussteuerungsbetrag für nicht vermittelte Langzeitarbeitslose als "Strafzahlung" nach den Hartz-IV-Arbeitsmarktgesetzen organisiert werden. Wenn die Länder ständig auf ihre föderalen Kompetenzen pochten, könnten sie die Kosten ihrer Versäumnisse nicht einfach Bund und Bundesagentur aufbürden, so die SPD-Bildungsexpertin.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte ein abgestimmtes Bund-Länder-Konzept gegen den Schulabbruch. Zunächst stünden die Länder mit mehr Förderung und einer besseren Ausstattung der Schulen in der Pflicht, sagte die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer. Wenn ein Jugendlicher es dann immer noch nicht schaffe, müsse gezielter als bisher geholfen werden. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) plant derzeit einen Gesetzentwurf, der einen Rechtsanspruch auf nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses vorsieht.
Demmer verwies darauf, dass heutzutage der Hauptschulabschluss "eine auf dem Arbeitsmarkt bereits überholte Minimalqualifikation" sei. Nicht einmal die Hälfte der Absolventen mit Hauptschulabschluss erhalte laut Bildungsbericht eine qualifizierte Ausbildung. Selbst etwa ein Viertel der erfolgreichen Realschulabgänger habe Probleme. "Die zweite Chance auf nachträgliche Bildungsabschlüsse muss deshalb generell ausgeweitet werden", sagte Demmer.
Unter den Schulabbrechern finden sich deutlich mehr junge Männer als Frauen. So schafft fast jeder zehnte deutsche Junge (9,1 Prozent) keinen Hauptschulabschluss. Bei den deutschen Mädchen ist dies nur etwa jedes zwanzigste (5,3 Prozent). Bei Jungen aus Migrantenfamilien erhält fast ein Viertel (22,1 Prozent) keinen Abschuss. Bei den ausländischen Mädchen ist dies etwa jedes siebte (13,1 Prozent).
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