Vorschläge für alternative Weihnachten: Der Überdosis Familie entfliehen
Soli-Party für Flüchtlinge und SchlagerNacktparty: Das Weihnachtswochenende lässt sich auch ganz anders als mit Gänsebraten und Verwandtenhölle verbringen.
24. 12., Café Morgenrot:
Soli-Party für Refugees
Wir befinden uns im Jahre 2015 nach Christus. Der gesamte Prenzlauer Berg ist von Yuppies besetzt … Der gesamte Prenzlauer Berg? Nein! Ein von unbeugsamen Idealisten betriebenes Café hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Das Café Morgenrot in der Kastanienallee sticht nicht nur optisch aus dem Einheitsbrei, bestehend aus Boutiquen, Friseuren und Cocktailbars, heraus. Auch inhaltlich setzt man andere Akzente. Dementsprechend findet an Heiligabend hier die „Party für alle Übersättigten, einsame Herzen, diejenigen mit family overdose und sowieso alle, die mit uns für den guten Zweck feiern wollen“ statt. Die Erlöse gehen an Flüchtlingsprojekte. Musikalisch bewegt sich der Abend dank DJ ELEF im 80s/90s-Bereich, im Keller wird’s elektronisch.
Für wen? Idealisten, tanzfreudige Hippies, Gallier
Für wen eher nicht? Frackträger, besorgte Bürger
Wo? Café Morgenrot, Kastanienallee 85
24. 12., XB-Liebig:
Anti Christmas Evening, mit KüfA, Tresen von Sleaze Shows und dem Dokumentarfilm „Die Mondverschwörung“
Bevor jemand fragt: Raiders heißt jetzt Twix, und VoKü heißt jetzt KüfA. Gott sei Dank haben wir 2015 dieses wichtige Problem gelöst, denn in VoKü (Abkürzung für Volksküche) steckt schließlich das Wort „Volk“ und … na ja, egal. KüfA heißt auf jeden Fall „Küche für Alle“. Auch schön. Der Antiweihnachtsabend in Friedrichshain wartet allerdings neben einer veganen Küche und einem Tresen noch mit einem ganz besonderen Schmankerl auf: „Die Mondverschwörung“, ein Dokumentarfilm über rechte Esoteriker und gewöhnliche Aluhut-Träger garantiert beste Unterhaltung. Der kürzlich verstorbene Dr. Axel Stoll – „Magie ist Physik durch Wollen!“ – kommt dabei ebenso zu Wort wie der französische Rechtsextremist Pierre Krebs. Dementsprechend balanciert die Stimmung des Films immer zwischen Amüsement und Ernsthaftigkeit.
Für wen? Den Grinch, Veganer, Cineasten
Für wen eher nicht? Mettwurst- und Gänsebratenliebhaber, Xavier Naidoo
Wo? XB-Liebig, Liebigstraße 34
25. 12., Volksbühne:
Sophie Rois liest gegen die Weihnachtsdepression
Wenn Sophie Rois nicht gerade auf der Theaterbühne brilliert, in Kinofilmen überzeugt, mit ihrer markanten Stimme Hörbücher einspricht oder mit ihrer Band „Straight from the Heart“ auftritt, tja, dann liest sie eben gegen die Weihnachtsdepression an. Falls es jemand nicht bemerkt hat: Egal was sie tut, es wird gut! Wer vom Vortag noch die ein oder andere Umdrehung im Kopf hat oder sich bereits mit einem Kater herumschlägt, kann sich hier in die Volksbühne fläzen und der Rois dabei zuhören, wie sie mit „Probleme, Probleme“ die wohl heiterste Erzählung ihrer Lieblingsschriftstellerin und österreichischen Landsmännin Ingeborg Bachmann liest. Allerdings ist die Veranstaltung natürlich auch für körperlich fitte Weihnachtsverweigerer zu empfehlen. So was soll’s ja auch geben.
Für wen? Nihilisten, Intellektuelle, sympathische Pessimisten
Für wen eher nicht? Ignoranten
Wo? Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz
25. 12., Suicide Circus:
Derbe Weihnachten mit Rummelsnuff
Jetzt wird es Zeit, auch mal etwas deftiger zu Werke zu gehen, genug Besinnlichkeit für dieses Jahr. Wer sich der Körperertüchtigung verschrieben hat, besucht Bodybuilder und Liedermacher Rummelsnuff, seines Zeichens Käpt’n des Elektropunk und 1. Maat im Bereich Arbeiterlieder. Rummelsnuff übernimmt nämlich für eine Nacht im Suicide Circus das Ruder, jawohl Käpt’n! Dank all dieser Metaphern dürfte jetzt jede/r verstanden haben, welchen Still der Pumper und Berghain-Türsteher präferiert. Hier erwartet euch Pumper-Elektro vom Feinsten! Einen festen Dresscode gibt es nicht, aber höchstwahrscheinlich kann ein Matrosenanzug nicht schaden. Auch ein schlichtes weißes Tanktop kommt hier immer gut an. Hinter den Decks stehen Talisman, der E-Werk-Veteran Jonzon und die sagenumwobene Sylvia Marks. Schweiß, Muskeln und Ekstase garantiert.
Für wen? Matrosen, E-Werk-Veteranen, Hafendirnen, Ästheten
Für wen eher nicht? Kostverächter, Hobby-Pumper
Wo? Suicide Circus, Revaler Straße 99
26.12., Humboldthain Club:
Das Zündet!
Der Humboldthain Club in Wedding ist längst kein Geheimtipp mehr. Und die „Das Zündet!“-Partys sind eines der Highlights in dem Laden im S-Bahnhof Humboldthain. Bei den frühlingshaften Temperaturen wird es nicht nur auf zwei Floors zur Sache gehen, sondern auch im hauseigenen Garten. Wem das zu naturalistisch ist, der kann sich auf die S-Bahn freuen, die (gefühlt) durch den Hof des Clubs fährt. Auf dem Hauptfloor wird für Boogie-, Disco- und Electro-Funk gesorgt, wie immer ausschließlich per Vinyl. Zu späterer Stunde wird auch wieder in die Südamerika-Cumbia-Salsa-Kiste gegriffen. Die Stimmung ist meist überbordend, die DJs kennen ihre Pappenheimer und andersrum. Oben wird die MPC-Garde um Carl Edit und Klaus Layer feinste analoge Beats zum Besten geben, auch gibt es mehrere Sets von 70er Funk über HipHop, Fusion, House, und was sonst so auf den Plattenteller fällt.
Für wen? Tänzer, Spezialisten, Partytiere
Für wen eher nicht? Ibiza-Fans, Lackschuhträger
Wo? Humboldthain Club, Hochstraße 46
27. 12., SchwuZ:
SchlagerNackt-Party
Ja wie? Wirklich nackt? Ja, wirklich nackt. Aber doch nicht komplett? Doch, doch, komplett. Socken und Schuhe dürfen anbehalten werden wegen des eventuell verdreckten Bodens. Auch ansonsten wurde an alles gedacht. Ein ausgefuchstes System erlaubt es einem bargeldlos durch den Abend zu kommen, zumindest bis man den Laden wieder verlassen will. Die Party ist laut Eigenwerbung im „queer-alternativen” Umfeld zu Hause und offen für alle, die Lust darauf haben, gemeinsam die Hüllen fallen zu lassen und loszufeiern, vom Punk über die Transe bis hin zur Hausfrau. Bleibt nur noch das Problem mit der Schlagermusik und die Frage, warum es auf der Website der Veranstalter SchlagerNackt-Party-T-Shirts zu kaufen gibt. Wer soll die denn tragen, wenn alle nackt sind?
Für wen? Nudisten, Experimentierfreudige, Schlagerfans
Für wen eher nicht? Kontaktscheue, Dishabiliophobiker
Wo? SchwuZ, Rollbergstraße 26
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