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VorratsdatenspeicherungKarlsruhe gibt Schäuble Contra

Der Präsident des Verfassungsgerichts Papier wirft dem Innenminister vor, er rüttle am Fundament des Rechtstaates. Schäuble hatte Karlsruhe zu Zurückhaltung in öffentlichen Äußerungen aufgefordert.

Scheut den Schlagabtausch mit dem Innenminister nicht: Bild: dpa

FREIBURG taz Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Hans-Jürgen Papier, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, verteidigte am Montag sein Gericht gegen Kritik von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Wer das Prüfungsrecht des Verfassungsgerichts in Frage stelle, könne dieses gleich abschaffen. Wer einen "Primat der Politik" fordere, rüttle an den Grundstrukturen des Verfassungsstaats, sagte Papier.

Vorige Woche hatte Innenminister Schäuble die Frage aufgeworfen "wie weit das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung gehen kann". In einem Streitgespräch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisierte er den Karlsruher Eilbeschluss zur Einschränkung der Vorratsdatenspeicherung. Karlsruhe hatte die Nutzung der zwangsgespeicherten Daten zunächst nur bei der Aufklärung schwerer Kriminalität erlaubt. Schäuble sagte: "Ich habe verfassungsrechtliche Zweifel, ob das Verfassungsgericht wirklich entscheiden sollte, für welche Straftat man welches Instrumentarium gesetzlich vorsehen kann."

Papier antwortete nun in einem Vortrag in Tutzing fast postwendend auf Schäubles Angriff. Bei einer vom bayerischen Staat finanzierten Tagung kritisierte der Verfassungsrichter Versuche, Karlsruhe in die Schranken zu weisen. Es gebe sie vor allem "im Bereich sogenannter Sicherheitsgesetzgebung". Solche Forderungen träfen jedoch "den Nerv des Verfassungsstaats", sagte Papier laut dem der taz vorliegenden Redemanuskript. Papier nannte Schäuble dabei zwar nicht beim Namen, sondern sprach von "vereinzelten" Positionen, was aber wohl erst recht als Affront wirken dürfte.

Umgekehrt hatte zuvor Schäuble in der FAZ von den Verfassungsrichtern mehr "Zurückhaltung mit öffentlichen Äußerungen" gefordert. Pointiert sagte er: "Wer Gesetze gestalten will, sollte sich bemühen, Mitglied des Deutschen Bundestags zu werden."

Bereits im Januar 2008 hatte Schäuble den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts kritisiert: "Ich verstehe, dass manche Verfassungsrichter gerne Ratschläge geben würden. Dazu sind sie aber nicht verfassungsrechtlich legitimiert.

Kurz zuvor hatte Papier in einem Gespräch mit dem Spiegel Pläne des Innenministers zurückgewiesen, eine neue Rechtsgrundlage zum Abschuss entführter Passagierflugzeuge zu schaffen. Schäuble wollte derartige Terrorangriffe als eine Art von Verteidigungsfall werten, doch Papier betonte damals im Interview, es könne "keine Rede davon sein", dass so ein Terrorangriff "das Gemeinwesen insgesamt bedroht". Papier hatte in diesem Interview allerdings fast nur Formulierungen aus der Entscheidung des Gerichts wiederholt.

Papier, der früher Rechtsprofessor in München war, ist übrigens CSU-Mitglied, lässt seine Mitgliedschaft im Amt aber ruhen. Auch der konservative Richter Udo Di Fabio hatte die Berliner Sicherheitspolitik schon heftig kritisiert und vor der "Lust am antizipierten Ausnahmezustand" gewarnt. CHRISTIAN RATH

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16 Kommentare

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  • EM
    Ein Mitleser

    Schön, dass sich hier alle so einig sind, dass Herr BMI voll daneben gelangt hat. Aber mir scheint, dass das volle Maß der Selbstgewissheit den Blick auf die politischen Wirkmechanismen etwas verstellt. Zunächst einmal: Bundesminister S. ist kein rookie der Szene, kein gelackter jugendlicher "von Schäubleberg", sondern eher so etwas wie ein Urgestein, ein politischer Marathonläufer. Ihn zu unterschätzen wäre ein schwerer Fehler. Wird ihn die schwere Kritik wundern? - Nein. Weiß er, was er tut? - Ja. Hat er wirklich verstanden, worauf seine Äußerung hinausläuft? - Ja, natürlich, der Mann ist doch nur rechts, nicht auch blöde! Kann er glauben, mit seiner Äußerung durchzudringen? - Nein! Und warum redet er trotzdem so? Die Frage allein muss beunruhigen, genau so wie jede halbwegs realistische Antwort. Aus meiner Sicht sind kalkulierte Grenzüberschreitungen - wohldosiert, über lange Zeit - Teil einer politischen Strategie. Und wenn die gelingt, wird das BVerfG Macht abgeben und die Regierung Macht gewinnen, ganz gleich, ob sich das BVerfG scharf wehrt oder souverän schweigt.

  • UW
    U. Wolf

    Ich bezweifle, dass das Bundesverfasungsgericht als Partei wirklich von so vielen gewählt würde.

    Bürgerrechte interessieren zu viele Mitbürger nicht wirklich. Um ihre Bedeutung schon zu erkennen, wenn sie noch nicht völlig abgeschafft sind, braucht es eine gewisse Bildung und auch ein Vorstellungsvermögen, dass mal eine andere politische Richtung an der Macht sein könnte als jetzt und die geschaffenen Polizeibefugnisse gegen einen selbst anwenden könnte.

     

    Es gibt ja Parteien die sich, gegen die ausufernde Überwachung wendet.

    Die Grünen und die Linken tun dies.

    Die Partei die das am stärksten fordert ist die Piratenpartei. Die hat aber Schwierigkeiten genug Unterstützer zu finden um zu Wahl zugelassen zu werden. (man kann ihr auf deren Webseite helfen) und falls sie das schaffen kommen sie höchstwahrscheinlich nicht über die 5%-Hürde.

    Die FDP hat sich auch die Bürgerrechte auf die Fahnen geschrieben. Sie aber am unglaubwürdigsten, weil sie unbedingt mit der Partei koalieren will, welche für die Einschränkung der Bürgerrechte hauptverantwortlich ist.

    Aber gerade die FDP hat von den genannten Parteien laut Umfragen die größten Stimmenzuwächse.

    Nein die Bürgerrechte sind für zu wenige Mitbürger wichtig bei der Entscheidung bei wem sie ihr Kreuz machen.

  • UO
    Und ob

    > Wäre das Bundesverfassungsgericht eine politische Partei, würden vermutlich viele ihr bei der nächsten Wahl die Stimme geben.

     

    Und ob, und ob. Man bekommt zunehmend das Gefühl, dass von dort die letzte Stimme der Vernunft in Deutschland zu hören ist.

     

    Da offensichtlich keine der vorhandenen Parteien fähig oder willens ist diese zersetzerischen und demokratiefeindlichen Bestrebungen der gegenwärtigen Regierung, allen voran Herr Schäuble, zu unterbinden, bleibt nur die Zukunft in neu gegründeten Parteien zu suchen.

  • A
    Asko

    Recht so! Immer weiter her Prof. Papier!

    Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass nur noch das BVG zwischen uns und all den Überwachungsgeilen "Politikern" steht, die schon darauf gieren, uns mit ihren Maschendrahtzäunen aus Vorratsdatenspeicherung (Datenhortung), Abschuss von Unschuldigen in entführten Flugzeugen, Steueridentifikationsnummern und und und... einzukreisen und komplett zu überwachen.

    Im grunde genommen sind wir das ja schon.

  • DP
    Daniel Pittelkow

    Wer soll Schäuble denn auch sonst entgegentreten, auf seinem Weg, Deutschlands demokratische, freiheitliche Grundordnung einzuschränken, wenn nicht das Bundesverfassungsgericht? Bitte weiter so, Herr Papier!

  • DG
    Daniel Gerber

    Danke Herr Papier. Vielen,vielen Dank.

    Endlich meldet sich mal ein Richter mit Reputation und Zivilcourage zu Wort.

    Das ständige offenene und/oder heimliche insistieren auf Demokratie- und

    Meinungsfreiheitsabbau geht mit so auf den Geist, das mir inzwischen faßt die Worte fehlen.

    Kommen mir dabei solche bizarren Personen wie Schäuble&Friends ins Blickfeld, schäume ich förmlich über(-:.

  • ES
    E. Stopp

    Wer wählt eigentlich noch CDU ? Ich niemals !!!

    Und diese Leute reden von einer Diktaur in der DDR!! Dabei versuchen sie selbst eine Diktatur zu installieren: Bespietzeln, Belauschen, Daten- Vorratsspeicherung, Generalverdacht fürs ganze Volk, Bankdaten durchsuchen, Einschränkung der Bürgerrechte ...., Verschleiern, Vertuschen, das ist die Politik der CDU, vertreten durch Herrn Schäuble.

    Und enge Kumpanei mit Leuten wie Mehdorn, Zumwinkel, Funke ( HRE ) ...Ackermann, .....alles Leute ohne Gewissen , die nur an sich denken und abzocken wo es nur geht. Maximalprofit ist das oberste Ziel.

    Ob dabei Menschen sterben, Häuser einstürzen ( Köln) Jugendliche Amok laufen, Hartz IV - Kinder in Armut und ohne Chance auf Bildung leben müssen, ob dabei das Geld des Kleinen Mannes ( Lehman -Zertifikate , Kaupthing-Bank ..) verzockt, seine Altersvorsorge flöten geht, ...dass alles interessiert diese Leute nicht.

    Die Entscheidung des Verfassungsgericht ist sehr positiv- aber an der Gesamtsituation ändert sie nichts- so lange Leute wie Schäuble, Merkel, Seehofer, Koch, Wulf ...was zu sagen haben, wird sich nichts ändern und die Bürgerrechte weiter mit Füssen getreten ( siehe auch letzter Artikel zu Versammlungsfreiheit in Bayern)

    Siehe auch die Beiträge gestern bei plusminus.

     

    Brutaler menswchenverachtender Kapitalismus.

  • H
    horizzon

    Hallo Herr Papier,

    Hallo Bundesverfassungsgericht,

     

    einfach mal vielen Dank dafür !!!!!

  • M
    Marc

    Schäuble in Sicherungsverwahrung - Da kann ihm nichts passieren! Soll ganz Deutschland jetzt dafür büßen, weil ihn so'n Psychoheini ztum Krüppel geschossen hat? Der Mann hat doch sowas von einen an der Waffel. Entschuldigung für die Ausdrucksweise, aber bei Neuigkeiten von Mr. Paranoia bekomme ich immer wieder Haarausfall!

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Wer Gesetzte auf den Weg bringt, die im Geruch der Verfassungsfeindlichkeit stehen, der sollte sich fragen, ob er nicht besser der Innenminister einer Bananenrepublik werden will. "Verfassungsminister" ist er sicher nicht!!!

     

    Abgeordnete, die Gesetze unkritisch abnicken, die Verfassungsfeinde in den Bundestag bringen, sollten sich fragen, ob sie nicht besser in ihren alten bürgerlichen Berufen arbeiten sollten.

  • A
    ARD

    BRAVO BRAVO und HUT AB!

     

    Zum Glück haben wir unter unseren Verfassungsrichtern tatsächlich Personen die a) übergreifenden und weitreichenden Überblick besitzen und b) Ihr "Handwerk" sowie die Auslegung der Grundgesetzte und die Fundamente einer demokratischen Gesellschaft zu deuten wissen.

     

    Ein unmögliches, unnötiges und zudem beschämendes Reviergehabe seitens Schäuble macht ihn nur noch weiter lächerlich und untermauert seine Inkompetenz. Der Mann ist seit langen für unsere Gesellschaft und für das Amt bzw. den öffentlichen Dienst den er (sich) leistet definitiv nicht länger tragbar.

     

    Ein Politiker der größeren Wert auf rethorische Parodierollen legt um ausschließlich sich selbst in den Vordergrund zu stellen anstatt seine Aufgabe und den Dienst für das Volk lebt politisch im kargen neandertaler Zeitalter!

     

    @Schäuble: Vielen Dank, das war's endlich!

     

    @Verfassungsrichter Papier: Unser Dank und unser Respekt ist Ihnen mehr als sicher! Bitte auf diesem hohen Level weitermachen.

  • RG
    Roland Geibel

    "Ich habe verfassungsrechtliche Zweifel, ob das Verfassungsgericht wirklich entscheiden sollte, für welche Straftat man welches Instrumentarium gesetzlich vorsehen kann."

     

    Das zeigt doch deutlich, dass der Mann keine,

    auf jeden Fall aber zu wenig Ahnung von der Sache hat.

    So einer sollte bei uns (in der BRD) nicht Minister werden und erst recht nicht Minister sein.

  • K
    Kai

    Endlich mal einer, der klare Worte spricht. Langsam ist es echt genug mit den ständigen Versuchen, die Verfassung auszuheben. Schäuble ist nicht nur nicht kritikfähig, er diffamiert und beschimpft andere ständig unbestraft.

     

    Wenn die nächste Regierung wieder CDU-geführt ist, kommen noch harte Zeiten auf uns zu.

  • J
    Jemand

    Wäre das Bundesverfassungsgericht eine politische Partei, würden vermutlich viele ihr bei der nächsten Wahl die Stimme geben. Und deshalb wollen der terrorverdächtige Schäuble und seine Komplizen den Rechtstaat abschaffen aber vielleicht besiegt er ja vorher noch die eigene Angst vorm Zahnarzt.

     

    Gute Besserung

  • V
    vic

    Schäuble wird das BVG noch verbieten. Spätestens nach Ausrufung des Ausnahmezustands wird es vom Militär übernommen.

    Wenn wir ihn lassen.

  • BH
    Bernd Henneberg

    eine Art von Verteidigungsfall werten, doch Papier betonte damals im Interview, es könne "keine Rede davon sein", dass so ein Terrorangriff "das Gemeinwesen insgesamt bedroht". Terrorangriffe sind, auch wenn die Terroristen es gerne hätten, keine kriegerische Auseinandersetzung. Deshalb enfällt jede Art der "kriegerischen Gegenwehr". Dasselbe gilt auch z. B. für den 11. September in New York. Das war kein Krieg sondern eine Provokation. Deshalb darf man sich nicht zur Aufgabe aller demokratischen Rechte flüchten