Vorratsdatenspeicherung in Deutschland: Streiten bis zur Deadline
Ende kommender Woche läuft eine EU-Frist zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung ab. Nun schickte der Innenminister einen Entwurf des Justizministeriums zurück – er gehe nicht weit genug.
BERLIN dpa | Im koalitionsinternen Dauerkonflikt um die Vorratsdatenspeicherung ist trotz des bald ablaufenden Ultimatums der EU-Kommission keine Lösung in Sicht. Das Bundesinnenministerium lehnt den Gesetzentwurf des Justizressorts weiter ab.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will die Telekommunikationsdaten im wesentlichen nur anlassbezogen speichern lassen und Ermittlern bei Bedarf zur Verfügung stellen. Das geht Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nicht weit genug. Ein Sprecher des Innenressorts bestätigte am Montag auf Anfrage entsprechende Informationen.
Friedrich teilte seiner Ressortkollegin am Montag mit, dass der Entwurf nicht reiche, um die entsprechende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Zugleich machte Friedrich klar, dass er weiterhin eine sechsmonatige Speicherfrist fordert.
Auch die EU-Richtlinie sieht vor, dass Telekommunikationsdaten sechs Monate zur Kriminalitätsbekämpfung gespeichert werden. Die EU-Kommission hat Deutschland eine Frist bis zum Donnerstag nächster Woche gesetzt, um die Vorratsdatenspeicherung neu zu regeln. Es ist nun aber äußerst unwahrscheinlich, dass es bis dahin eine Lösung geben wird.
Nach Ablauf der Frist könnte die EU-Kommission die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. In letzter Konsequenz drohen dann Strafzahlungen in Millionenhöhe. Allerdings ist auch die EU-Richtlinie selbst umstritten und wird derzeit überarbeitet.
Merkel fordert baldige Lösung
Im März 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die bis dahin geltende Regelung in Deutschland gekippt. Seitdem werden die Daten nicht mehr pauschal sechs Monate gespeichert. Strafverfolger sehen „Schutzlücken“ bei der Kriminalitätsbekämpfung. Die Koalition streitet darüber, wie eine mögliche Neuregelung aussehen könnte, für die Leutheusser-Schnarrenberger zuständig ist, die allerdings damals selbst zu den Klägern in Karlsruhe gehörte.
In den Dauerstreit hatte sich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeschaltet – sie pochte wiederholt auf eine baldige Lösung. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Montag, er sei zuversichtlich, dass es bald zu einer Einigung bei diesem „ sehr schwierigen Thema“ kommt: „Es ist für ein wichtiges europäisches Mitgliedsland wie die Bundesrepublik Deutschland nicht denkbar, auf Dauer eine europäische Richtlinie nicht umzusetzen.“
Aus Regierungskreisen hieß es am Montag, das Innenministerium habe den Entwurf aus dem Justizressort eingehend geprüft und bewertet – mit dem Ergebnis, dass er weder den Vorgaben der europäischen Richtlinie noch den Erfordernissen der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden gerecht werde. Auch die Vorgaben des Verfassungsgerichts würden in dem Entwurf nur in Teilen berücksichtigt, hieß es.
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