Streit um Vorratsdatenspeicherung: Lange speichern? Schnell einfrieren?

Innenminister und Justizministerin streiten sich heftig um die Vorratsdatenspeicherung. Ein Kompromiss, mit dem FDP und Union leben könnten, ist schwer zu finden.

Freundliches Gespräch, aber keine Einigkeit. Bild: dpa

FREIBURG taz | Seit zwei Jahren streiten Union und FDP über die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, doch sie kommen sich keinen Schritt näher. Auch ein Gespräch von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger blieb am Mittwochabend ergebnislos. Natürlich hat das etwas mit Profilschärfung bei den eigenen Wählern zu tun. Aber es wäre auch nicht so einfach, einen Kompromiss zu finden, mit dem beide Seiten gut leben könnten.

Die Ausgangslage ist klar. Seit 2008 muss Deutschland die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen. Telefonfirmen müssten demnach sechs Monate lang speichern, wer wann wo mit wem telefoniert, gemailt oder gesimst hat. Internetfirmen müssten ebenfalls sechs Monate lang festhalten, wer wann wem eine Mail geschrieben hat und wer wann mit welcher IP-Adresse im Internet unterwegs war.

Die Große Koalition hat Ende 2007 auch ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das im März 2010 aber vom Bundesverfassungsgericht beanstandet wurde. Karlsruhe forderte eine Neuregelung mit besserem Datenschutz. FDP und CDU/CSU konnten sich seither aber nicht einigen.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte im Dezember eine Verkürzung der Speicherfrist von sechs auf vier Monate angeboten. CDU-Sicherheitspolitiker um Clemens Binninger waren im September 2011 sogar zu einer Verkürzung auf drei Monate bereit. Auch die SPD hat sich auf ihrem Bundesparteitag im Dezember 2011 für eine drei-monatige Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen.

Der Vorschlag widerspräche zwar im Moment noch der EU-Vorgabe, doch die Richtlinie wird im Moment ohnehin überarbeitet. Es wird damit gerechnet, dass auch die Kommission eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate vorschlägt. Für die FDP ist das aber kein tragbarer Kompromiss. Auch bei einer dreimonatigen Vorratsdatenspeicherung würden von allen Bürgern gigantische Datenmengen anlasslos gespeichert.

Der Bundesdatenschutz-Beauftragte Peter Schaar hat im November 2010 einen deutlich radikaleren Kompromiss-Vorschlag gemacht. Danach soll bei Telefon-Daten ganz auf die Vorratsdatenspeicherung verzichtet werden und sie bei Internetdaten auf ein bis zwei Wochen beschränkt werden. Dafür bekam er zwar Prügel von Bürgerrechtlern, die darin eine „Vorratsdatenspeicherung light“ sahen.

Doch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) griff den Vorschlag auf und machte ihn zum Teil ihres Gesetzentwurfs. Allerdings macht bei einer ganz kurzen Vorratsspeicherung die Polizei nicht mit. Selbst eine vierwöchige Speicherfrist würde nur bei fünf Prozent der Abfragen zu Ergebnissen führen, erklärte im Januar das Bundeskriminalamt.

Hauptvorschlag der Justizministerin ist das Quick-Freeze-Verfahren. Danach könnten Daten von der Polizei sichergestellt werden, bis ein Richter die Auswertung genehmigt. Für die Justizministerin steht Quick Freeze im Mittelpunkt, weil Daten hier nicht anlasslos, sondern nur im konkreten Verdachtsfall gespeichert werden.

Für die Polizei ist Quick Freeze aber ein untaugliches Konzept, weil es nur dort Daten nutzbar macht, wo sie zufällig bei den Telefon- und Internetfirmen noch vorliegen. Gegenüber einer heute schon möglichen Eilanordnung durch die Staatsanwaltschaft werden damit auch nur wenige Stunden gewonnen.

Ein naheliegender Kompromiss könnte darin liegen, dass die Internet-Verbindungsdaten sechs Monate auf Vorrat gespeichert werden, während es für Telefondaten keine Vorratsspeicherung gibt. Hierfür spricht eine BKA-Untersuchung, wonach sich rund 90 Prozent der BKA-Anfragen auf Internet-Daten beziehen und nur 10 Prozent auf Telefondaten.

Außerdem lagen bei den Internet-Providern derzeit in 92 Prozent der Anfragen keine Daten vor, während die Telefonfirmen jetzt schon fast immer Auskunft geben können. Polizeilich notwendig ist die Vorratsdatenspeicherung also nur bei Internetdaten. Doch ein solcher Kompromiss wurde bisher von keiner Seite vorgeschlagen.

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