■ Vorlauf: Wie eine Jam Session
„Tatort“: „Ausgespielt“, So., 20.15 Uhr, ARD
Natürlich singen sie wieder. Diesmal, damit man sofort in die rechte Stimmung kommt, gleich zu Beginn: „In the mood.“ Und ihre Liebe zum Swing und Jazz trägt prompt dazu bei, daß der Täter am Ende auch ordentlich seiner gerechten Strafe zugeführt werden kann. Die Kommissare Stöver (Manfred Krug) und Brockmüller (Charles Brauer) zehren bei ihrer Arbeit, die einen desillusionierten Blick auf die Welt mit sich bringt und wohl auch verlangt, zunehmend von ihrer hobbyorientierten Einstellung. Ohne Musik geht die Chose nun mal nicht. Die deutschen Fernsehrepräsentanten inniger, nichtschwuler Männerfreundschaft können sich diesmal voll ihren musikalischen Vorlieben widmen, wenn auch nicht ganz freiwillig. Am „Tatort“ wirft Brockie nur einen flüchtigen Blick auf das Opfer und sagt nicht einmal überrascht: „Den kenn' ich.“ Ein einstmals gefeierter Jazzer ist gierigen Produzenten und Neidern auf den Leim gegangen. Als man ihm auch noch seine Lieder klaut, wirft es ihn aus der Karrierebahn. Derlei Geschichten über sensible Artisten sind dem Krimigenre nicht fremd, Ungerechtigkeit ist sein stetiger Stofflieferant. Ein Künstler, der trinkt, heißt es schon in Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“, fällt schneller als ein Dachdecker, der stürzt. Als reizvoll wird auch die Verknüpfung unterschiedlicher Milieus erachtet: hier die Obdachlosenszene mit der Musikbranche. Müßig zu erwähnen, daß die Story solide erzählt und routiniert inszeniert ist. Das Wohltuende am „Tatort“ ist ja, daß die Mindestansprüche an Qualität selten unterschritten werden. Beim NDR hat man sich inzwischen vollständig auf die Inszenierung von Kultwerten verlegt. Das Ganze funktioniert nach dem Muster einer gelungenen Jam Session: Man lädt sich ein paar Freunde ein, gibt ein Thema vor, und dann geht's los. Horst Frank gibt einen versoffenen Penner und Bill Ramsey einen Jazzclubbesitzer. Warum „old Bill“ dann aber keine echte Nummer aufs Parkett legt, ist letztlich nicht einzusehen. Oder sollte das Drehbuch doch noch einen Rest an Produktionszwang auferlegt bekommen haben? Harry Nutt
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