piwik no script img

■ VorlaufPartygeschwätz

„Nackte Tanzlust“, 23.30 Uhr, ARD

Gute Kontakte sind alles im Klatschgeschäft. Bob Colacello ist Kolumnist für Vanity Fair, und er war dabei, als Modemacher Yves Saint-Laurent von Modemacher Halston in einem Kellerraum des New Yorker Studio 54 geküßt wurde. 20 Jahre später macht Colacello im Gespräch mit dem Dokumentarfilmer Horst Königstein nicht viel Aufhebens um die Männerliebe, die damals für Furore sorgte. Und auch sonst erscheint das meiste, was in „Nackte Tanzlust“ aus dem glamourösen Discoleben der Reichen und Berühmten präsentiert wird, als flaues Partygeschwätz.

Zum Einstieg erklärt der ehemalige „Studio 54“-Betreiber Ian Schrager, wie alles anfing: Es waren einmal zwei einfache Jungs aus Brooklyn – Schrader und sein Kompagnon Steve Rubell –, die von der Schwulenszene lernten, daß Tanzen wichtig für die Befreiung ist. Daraufhin eröffneten die beiden einen eigenen Laden, dekorierten das Ganze als große Blitzlicht-Maschine, luden 10.000 Promis ein und hatten über Nacht den Homo-Underground zum Mainstream-Ereignis gemacht. Weil sich diese Erfolgsstory in New York zugetragen hat, werden manchmal gelbe Taxis eingeblendet oder Polizeirazzien in Harlem – schließlich „brannten die Ghettos“, während man sich amüsierte.

Eine filmische „Phantasie über Disco, das Studio 54 und die 70er Jahre“ wollte Königstein drehen. Doch die Sache hat einen Haken: Da im Studio 54 nicht gefilmt wurde und selbst Paparazzi ihre Fotos der Geschäftsführung vorlegen mußten, ist die Materiallage sehr dünn. Deshalb werden statt wilder Parties „Musikladen“-Auftritte von Chic oder Donna Summer gezeigt. Der Rest sind pflichtbewußt geführte Interviews: Vom Ringelpiez mit Promis-Anfassen ist bei den meisten Befragten nur ein Adreßbuch voller Namen übriggeblieben, von denen viele an Aids gestorben sind. Die Überlebenden denken zwar gerne an die Zeit mit Andy Warhol, Liza Minnelli oder Truman Capote. Aber im Rückblick klingt das alles wie die sentimentalen Fußballer-Memoiren, mit denen das Fernsehpublikum zur Zeit auf die WM vorbereitet wird.Harald Fricke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen