Vorkaufsrecht in Berlin: Auferstanden von den Toten?
Nachdem Neukölln das Vorkaufsrecht gezogen hat, schöpfen auch Mieter*innen in Mitte Hoffnung. Sie appellieren an Senat und Bezirk.
Sie kämpfen darum, auch weiterhin zu bezahlbaren Mieten dort wohnen zu können und befürchten verdrängt zu werden. Die Zeit ist knapp: Das Haus soll am 10. Oktober an einen privaten Investor verkauft werden. Um das abzuwenden, fordern die Mieter*innen vom Bezirksamt Mitte, das Vorkaufsrecht für das Haus auszuüben, wie es jüngst Neukölln mit der Weichselstraße 52 vorgemacht hat.
Lange schien das Vorkaufsrecht tot. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2021 setzte den damit verbundenen Versuchen, Wohnraum den privaten Profitinteressen zu entziehen, enge Grenzen. Mit dem Haus an der Neuköllner Weichselstraße scheint das Vorkaufsrecht auferstanden.
Die Mieter*innen der Seestraße appellieren nun an den Bezirk und den Senat, auch im Fall der Seestraße ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Christoph Mayer, der Sprecher der Hausgemeinschaft, ist fast täglich in Gesprächen mit Politiker*innen, er hat Hoffeste organisiert und Kundgebungen, sich in die Feinheiten der Regularien des Vorkaufsrechts eingearbeitet. „In der Seestraße 110 wohnen viele Menschen mit geringen Einkommen. Sie sind die ersten, die verdrängt werden, wenn hier ein Investor aus dem Gebäude Profite erwirtschaften will“, sagt Mayer zur taz.
Unterstützung von Linkspartei und SPD-Linken
Unterstützung bekommen Mayer und seine Mitstreiter*innen von der Linken. Die Co-Chefin des Bezirksverbands, Martha Kleedörfer, sagt zur taz: „Eine ganze Hausgemeinschaft kann aus dem Biss eines Immobilienhais befreit werden – wenn Bezirk und Senat eingreifen. Das muss nun geschehen.“ Auch der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Mathias Schulz, betont gegenüber der taz, dass er das Anliegen der Mieter*innen in der Seestraße 110 unterstützt. Wobei auch Schulz daran erinnert, dass Neukölln jetzt das Vorkaufsrecht gezogen hat.
Der Erfolg in der Weichselstraße ist auch ein Motivationsschub für die Mieter*innen in der Seestraße. „Aktuell diskutieren wir, ob wir eine Fristverlängerung fordern, damit wir mehr Zeit haben, Senat und Bezirk von der Anwendung des Vorverkaufsrechts zu überzeugen“, sagt Mayer. Das ist keine leichte Aufgabe. Selbst als es noch unkomplizierter möglich war, wurde in Mitte das Vorkaufsrecht erst 6 Mal angewandt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung