Vorgedreht: Geboren 1932
■ Ausstellung über Kindheit und Jugend während des Nationalsozialismus
„Auf der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt hatten wir alles, was das Jungenherz begehrt“, erzählt der Bremer Peter Richter, Jahrgang 1932. „Wir hatten Pferde, Boote, ein Klettergerüst mit Seilen; konnten schwimmen, boxen, Leichtathletik machen.“ Als Zehnjähriger sei er auf die nationalsozialistische Schule in Haselünne gekommen, weil die Schulen in Bremen 1943 vor den britischen Bomben evakuiert worden seien, so Richter.
Für die Ausstellung „Am Roland hing ein Hakenkreuz – Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit“, im Herbst im Rathaus zu sehen, hat Richter sich als Zeitzeuge zur Verfügung gestellt. Er wird den BesucherInnen auf ihre Fragen zur Kindheit zwischen 1933 und 1945 Rede und Antwort stehen.
Die Schau versucht Erklärungen dafür zu finden, dass die Nazi-Diktatur so viele Kinder in ihr System einbinden konnte. „Es gab für jeden Lebensbereich etwas mit Hakenkreuz“, sagt Ulla Nitsch von der Schulgeschichtlichen Sammlung Bremen. Sie gehört zur Vorbereitungsgruppe der Ausstellung. „Anerkennung zu bekommen oder etwas zu sammeln sind typische Kinder-Bedürfnisse. Die haben die Nazis ausgenutzt“, folgert sie aus den vorhandenen Ausstellungsstücken.
Viele Exponate stammen aus dem Alltag: Die Schüssel mit dem Hakenkreuz-Siegel des Amtes „Schönheit der Arbeit“ auf der Unterseite, das der kleine Pimpf jeden Tag beim Abtrocknen angeguckt hat, genauso wie das „Wehr-Schach“-Spiel oder SA-Figuren aus Elastolin zum Sammeln. Die Themen der Ausstellung heißen etwa „Zuhause“, „Schule“, „Hitlerjugend“, aber auch: „Im Bunker“, oder „Einsatz als Kriegsdiensthelferin“.
Besonders am Herzen liegt den OrganisatorInnen, ohne erhobenen Zeigefinger auszukommen: „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen heute die Zeit damals erst einmal zeigen und nicht so belehrend sein.“ Aber auch Erwachsene könnten noch viel lernen, sagt Nitsch.
Für das Begleitprogramm ist eine Veranstaltung mit dem Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter geplant, der mit 15 Jahren Kindersoldat war. Außerdem soll es eine Filmreihe im Kino 46 und eine Podiumsdiskussion geben.
Ulrike Bendrat
„Am Roland hing ein Hakenkreuz“, Ausstellung vom 10. September bis 3. Oktober in der Unteren Rathaushalle
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