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Vorfall bei GrenzübertrittBulgaren erschießen Flüchtling

Wegen „illegaler“ Übertritte feuerten bulgarische Grenzer auf Flüchtlinge – ein Mann starb. Ein Toter wurde auch im Eurotunnel gefunden.

Soldat an der türkisch-bulgarischen Grenze. Foto: dpa

Sofia/Lille afp | Ein afghanischer Flüchtling ist beim Versuch, illegal über die Grenze nach Bulgarien zu kommen, von bulgarischen Grenzschützern erschossen worden. Nach ersten Erkenntnissen sei der Mann von einem Querschläger getroffen worden, als ein Grenzschützer Warnschüsse auf eine Gruppe von afghanischen Flüchtlingen abgab, sagte ein ranghoher Vertreter des bulgarischen Innenministeriums in der Nacht zum Freitag dem Rundfunksender BNR. Der Tod des Flüchtlings überschattete den EU-Flüchtlingsgipfel in Brüssel.

Nach Angaben einer Sprecherin des Innenministeriums ereignete sich der Vorfall am Donnerstagabend der Nähe der südostbulgarischen Kleinstadt Sredez. Eine große Gruppe Flüchtlinge habe versucht, aus der Türkei illegal nach Bulgarien zu kommen. Dabei sei einer von ihnen von einer Kugel getroffen worden und auf dem Weg zum Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.

Laut dem Stabschef des Ministeriums, Georgij Kostow, gehörte der Mann einer Gruppe von rund 50 afghanischen Flüchtlingen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren an. Diese hätten den Anordnungen der Grenzpatrouille, sofort anzuhalten und umzukehren, keine Folge geleistet, sagte er BNR. Daraufhin habe einer der Grenzschützer Warnschüsse abgegeben, einer davon müsse „abgeprallt und den Mann am Nacken getroffen“ haben. Laut Kostow war keiner der Flüchtlinge bewaffnet. Die restlichen Männer aus der Gruppe seien festgenommen und Ermittlungen zum genauen Tathergang eingeleitet worden.

Es ist der erste tödliche Schuss von einem Sicherheitsbeamten seit Beginn der Flüchtlingskrise in Europa. Der bulgarische Ministerpräsident Boiko Borissow erfuhr während des EU-Gipfels von dem tragischen Zwischenfall und reiste sofort in seine Heimat zurück.

Erneut Flüchtling am Eurotunnel in Calais umgekommen

Am Eurotunnel im nordfranzösischen Calais ist erneut ein Flüchtling ums Leben gekommen. Das Opfer sei in der Nacht zum Freitag von einem aus Großbritannien kommenden Zug erfasst worden, teilte ein Eurotunnel-Sprecher mit. Rettungskräfte sagten der Nachrichtenagentur AFP, es sei unmöglich gewesen, das Alter, das Geschlecht oder die Nationalität des Opfers festzustellen, da der Körper über mehr als 400 Meter mitgeschleift worden sei. Beeinträchtigungen im Eurotunnelverkehr gab es nach Betreiberangaben wegen des Unfalls nicht.

Es ist bereits der 16. tödliche Unfall eines Flüchtlings in der Region seit Ende Juni. In Calais und Umgebung sitzen zwischen 4.000 und 5.000 Flüchtlinge fest, die meisten von ihnen stammen aus Ostafrika, Syrien und Afghanistan. Sie hoffen, auf Fähren über den Ärmelkanal oder auf Zügen durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. Die Lage eskalierte Ende Juli, als in manchen Nächten rund 2.000 Versuche von Flüchtlingen gezählt wurden, auf das Eurotunnel-Gelände zu gelangen.

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13 Kommentare

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  • "es sei unmöglich gewesen, das Alter, das Geschlecht oder die Nationalität des Opfers festzustellen, da der Körper über mehr als 400 Meter mitgeschleift worden sei" - in welchem Jahrhundert leben wir denn eigentlich? Warum strengt denn niemand DNA-Analysen an, um nach der Identität des Opfers zu forschen? Flüchtlinge sind's denen wohl nicht wert. Manchmal erscheint mir dieses Europa als ein echtes Dreckloch. Auch wenn's woanders unvergleichlich schlimmer zugeht.

  • Es handelt sich bestenfalls um einen sogn. "" Kollateralschaden" in Form einens Menschenlebens. Einer der auszog sein Leben zu retten und dem es von den bulgarischen Schergen aller europäischen Scharfmacher genommen wurde. Ob die Orban's, Seehofer's und andere Polit-Polemiker derartige "Unfälle" in Ihren "Endlösungen" des Flüchtlingsproblems mit einkalkulieren ? Gute Nacht christliches Abendland.

  • Seit wann setzt man Warnschüsse so dicht ans Ziel, daß tödliche Querschläger entstehen?

  • Europa macht per Schiessbefehl die Grenzen dicht.

    DDR mal umgekehrt oder 2.0?

    • @Peter Womm:

      Wer auf Flüchtlinge schießt, wird auch nicht zögern, auf Befehl die eigenen Leute zu erschießen.

  • Der nächste Schritt der Eskalation..... wann endlich verstehen die Verantwortlichen, dass diese Welle nicht aufzuhalten ist?

    Wie beim Klimawandel.... wir können die Dämme noch so hoch bauen, es wird drüberschwappen.... und erst zu Ende sein, wenn wir die Ursachen, die wir selbs gesetzt haben, angehen.

    • @robby:

      Die Flüchtlingsströme werden nicht nur aus Syrien, dem Irak und Afghanistan (jetzt nach den Kunduz-Fall erst recht) kommen..... Sie werden auch aus dem Jemen kommen; wo unsere Oberndorfer Waffenschmiede über Saudi-Arabien G36 hat liefern lassen; sie werden aus der Türkei kommen, wo unser Verbündeter im Wahlkampf mal eben einen Bürgerkrieg vom Zaun brincht.... Sie werden aus Nigeria kommen, wo Million auf der Flucht vor Boko Haram sind.... und aus Myanmar, Pakistan, Äthiopien, Eritrea, Somalia, Bangladesh.... und der Ukraine..... und und und...... und wir werden die Massen nicht aufhalten, denn sie haben nichts zu verlieren.... Wir haben ihnen bereits alles genommen, was sie haben... durch Globalisierung, Raubfischerei, Landgrabbing, Rohstoffausbeutung, durch Kriegszündelei.... und und und.... mit Kakaoplantagenjobs für Kindersklaven, Lidl-T-Shirt-Näher-Jobs in maroden Fabrikgebäuden und mit einer Schale Reis am Tag in den Flüchtlingslager werden wir sie dort nicht halten.... Unser Wohlstand basiert nicht auf der Arbeit unserer Eltern, sondern auf der Ausbeutung dieser Länder......und wir fürchten die Flüchtlinge, weil sie uns mit der Nase genau auf diese Lebenslüge stoßen.... Diese Massen können wir nicht mit Militär, nicht mit Taschengeldkürzungen, nicht mit brennenden Flüchtlingsunterkünften oder besorgt-grölenden Bürger aufhalten. Wir haben nicht gefragt, ob wir ihre Länder ausbeuten dürfen, ob wir dort zündeln dürfen und sie werden uns nicht fragen, ob sie kommen dürfen.....Sie werden kommen und wir werden sie reinlassen oder wir sehen ihnen beim Sterben zu.....

      • @robby:

        Sorry, aber ich kann dieses polemische arme//reiche Welt und WIR, die bösen Ausbeuter etc. nicht mehr hören. Ich fühle mich nicht schuldig am Elend dieser Menschen. Ich bin nicht reich, ich komme einigermaßen klar. Das bisschen Wohlstand, dass ich habe, haben tatsächlich nicht meine Eltern erarbeitet, das habe ich selbst. Es gibt in Mombasa, Kairo, Kalkutta etc. garantiert eine ganze Menge Leute, die deutlich reicher sind, als ich.

        Die Probleme in den Ländern sind durch westliche Politik massiv befördert worden und auch nur politisch zu lösen. Ich persönlich sehe da für mich keinerlei Gestaltungsspielraum. Und ich habe absolut keinen Bock, für den Mist gerade zu stehen, den die abgehobene Elite verursacht hat. Und ganz bestimmt habe ich keinen Bock, mir von Anderen, die ihre Schuldkomplexe nicht alleine tragen mögen, auch welche einreden zu lassen.

        Ich bin ein absoluter Gegner der Idee von kollektiver Schuld und sehe nur die Verantwortung von Individuen.

    • @robby:

      Gratulation... eine grandiose Einstellung..

       

      einfach kapitulieren, man kann ja doch nichts machen.

      Ich kann nur für Sie hoffen dass Sie nicht Ihren Alltag genauso gestalten.

      Ein Staat definiert sich über Grenzen.

      Deshalb ist oberste Pflicht des Staates, der Schutz dieser Grenzen.

      Vielleicht erinnern sich ja unsere (Regierungs)Politiker an den Eid den Sie bei Amtsantritt geschworen haben.

      • @Thomas März:

        "Kapitulieren" ist in diesem Zusammenhang ein interessanter Begriff. Wußte noch gar nicht, daß die Flüchtlinge jemandem den Krieg erklärt haben.

      • @Thomas März:

        "Deshalb ist oberste Pflicht des Staates, der Schutz dieser Grenzen."

         

        Haben Sie das dem Grundgesetz schon erzählt?

      • @Thomas März:

        wenn's sein muß auch mit selbstschußanlagen am antimigrantischen schutzwall, wa.

      • @Thomas März:

        Er sagt doch nur das, was Frau Merkel schon vor ihm gesagt hat: Wir können nichts machen.