Vorbereitung Handball-EM: Auf dem Boden bleiben
Für das deutsche Team geht es bei der EM in eineinhalb Wochen um die letzten Perspektivplätze für die Olympischen Spiele. Auf Zweifler reagiert Trainer Heuberger gelassen.
BERLIN taz | Kürzlich war Bob Hanning mal wieder im Fernsehen zu sehen, er arbeitet dort schließlich als Experte. Über die deutsche Handball-Nationalmannschaft sprach der Manager der Füchse Berlin, und was er zum Thema zu sagen hatte, war durchaus alarmierend.
Von "mangelnder Qualität" sprach Hanning zum Beispiel und davon, dass die von der deutschen Ballwerfer-Equipe angestrebte Qualifikation für die Olympischen Spiele im Sommer in London, so sie doch noch zustande käme, nicht viel weniger wäre als eine "Sensation".
Es waren nicht wirklich nette Worte, die Hanning da für die deutschen Handballer übrighatte, entsprechend groß war im Deutschen Handball-Bund (DHB) der Kreis, der sich über sie erhitzte. Martin Heuberger war nicht unter den Echauffierten, obwohl er am meisten Grund gehabt hätte für eine Portion Groll.
Heuberger ist seit gut einem halben Jahr schließlich der Nachfolger von Heiner Brand, also der immer noch neue Handball-Bundestrainer. Und er ist es, der das DHB-Team in den nächsten Wochen und Monaten zu den Londoner Spielen führen soll.
Mittelschwerer Sabotageakt
Der 47-Jährige hätte Hannings Ausführungen also durchaus als einen mittelschweren Sabotageakt empfinden können, stattdessen reagierte er ruhig und gelassen. "Bob sieht das schon realistisch", ließ der Bundestrainer wissen, verbunden mit dem Hinweis: "Es gibt viele Träumer. Da ist es gut, dass einer versucht, den Druck zu nehmen."
Dabei ist es nicht so, dass Heuberger kein Zutrauen in die Möglichkeiten seiner Mannschaft besitzt, das ganz bestimmt nicht. Andererseits sind die deutschen Handballer bei der WM vor einem Jahr nur Elfte geworden, als Schmach wurde das allseits empfunden.
Da wäre es doch anmaßend, nun wieder von Titeln zu schwadronieren oder von Medaillen, zum Beispiel bei der vor der Tür stehenden EM (15. bis 29. Januar) in Serbien, auf die der Bundestrainer sein Team derzeit vorbereitet, unter anderem mit zwei Testspielen heute und morgen gegen Ungarn. "Man muss da auf dem Boden bleiben", sagt Heuberger. Heuberger stammt aus dem badischen Schutterwald. Er kennt sich also aus mit Bodenständigkeit.
Es ist jene Bodenständigkeit, die sagt: Genau genommen spielen die deutschen Handballer bei der anstehenden EM gar nicht um den Titel oder Medaillen, sondern allein um ihre Olympiateilnahme, besser gesagt, um sich die Chance darauf zu erhalten. Weltmeister Frankreich und der in Serbien auszuspielende Europameister sind für die Spiele im Sommer in London gesetzt, der Rest muss sich in drei Vierer-Qualifikationsturnieren die Olympiatickets erst noch erspielen.
Noch zwei frei Plätze
Sechs europäische Mannschaften (Dänemark, Island, Spanien, Schweden, Ungarn und Kroatien) sind für diese Turniere bereits qualifiziert, die beiden letzten freien Plätze für Europa werden bei der EM vergeben. Deutschland muss also unter den zwei besten noch nicht für die Qualifikationsturniere qualifizierten Teams landen.
Im besten Fall reicht dazu Platz acht aus, im schlimmsten Fall ist Rang vier zu wenig. Vor allem Russland und Polen gelten als die Hauptkonkurrenten. Es ist also noch ein langer und beschwerlicher Marsch zu den Spielen nach London. Wie sich die deutschen Handballer auf diesem schlagen, wird auch von der Liga mit Argusaugen beobachtet.
Denn das Verhältnis zwischen den Vereinen und der Nationalmannschaft war unter Heubergers Vorgänger Heiner Brand am Ende ziemlich verhärtet. Nun weicht es gerade ein wenig auf. "Ich weiß, dass ich ohne die Liga nicht kann - und die Liga weiß, dass es umgekehrt genauso ist", sagt Heuberger.
Spieltag verlegt
Liga-Geschäftsführer Frank Bohrmann gibt prompt zurück: "Die Nationalmannschaft ist das Zugpferd des deutschen Handballs. Für die Liga wäre eine Olympiateilnahme extrem wichtig." Um eine längere EM-Vorbereitung zu ermöglichen, hat die Liga sogar einen Spieltag verlegt.
Das Grundproblem freilich ließ sich nicht so schnell beheben, schon weil es ein Strukturproblem ist. Die spielbestimmenden Positionen im Rückraum sind in den Topvereinen in der Regel nach wie vor mit Handballern aus dem Ausland besetzt. Deutsche Spieler spielen eher die zweite Geige. Auch Martin Heuberger muss damit vorerst leben.
Ein Lamento darüber hat er sich bislang erspart. "Ich bin mit dem Kader sehr zufrieden. Es ist die Crème de la Crème in Deutschland", sagt er, zumal Verletzungen bislang ausgeblieben sind. Mehr geht eben nicht. Es wird spannend sein zu sehen, ob es bis nach London reicht.
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