Deutsche bei der Handball-EM: Frei von Form

Im Auftaktspiel gegen Tschechien verliert das deutsche Team – und zwar verdient. Damit steht Heubergers Auswahl schon in der zweiten Partie mit dem Rücken zur Wand.

Unzufrieden mit der eigenen Leistung: Torwart Silvio Heinevetter nach einem Tor der Tschechen. Bild: dpa

NIŠ taz | Dunkle Ränder zierten die Augen des Bundestrainers am Tag nach der Schmach. "Von 1 Uhr bis 4 Uhr, dann konnte ich nicht mehr schlafen", berichtete Martin Heuberger im Tami Residence, dem Vier-Sterne-Hotel, in dem die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) logiert und das einen großartigen Blick auf Niš und die Tiefebene Südserbiens bietet.

Doch dafür fehlte Heuberger am Montag der Sinn. Es galt, die verheerende 24:27-(10:14)-Niederlage gegen Tschechien zum Auftakt der Handball-EM aufzuarbeiten und die Mannschaft für das eminent wichtige zweite Spiel gegen Mazedonien (Dienstag, 18.15 Uhr, ARD) einzustellen.

Eine seriöse Erklärung für den Ausfall des wichtigsten Mannschaftsteils, des Rückraums, konnte Heuberger allerdings auch nach intensiver Videoanalyse nicht liefen. Insbesondere der blutleere Auftritt von Kapitän Pascal Hens, der in den ersten 20 Minuten zahlreiche Fahrkarten und Fehlpässe fabriziert hatte, ließ den Bundestrainer rätseln. "Ich weiß nicht, woran es liegt", sagte Heuberger. "Ich habe schon mit Pommes gesprochen, aber auch er kann sich das nicht erklären."

Hens wirkt "wie ein Fremdkörper"

Auf Pommes, dem 31-jährigen Hens, ruhten vor der EM vornehmlich die Hoffnungen Heubergers. Der Halblinke spielt seit 2002 große Turniere, er hat zwei Olympische Spiele hinter sich, war Europameister 2004 und Weltmeister 2007, und er wurde geschult durch die "Goldene Generation", durch Persönlichkeiten wie Christian Schwarzer, Markus Baur, Volker Zerbe, Daniel Stephan.

Hens also sollte die Mannschaft in Serbien führen, um wenigstens die Chancen auf das Olympiaticket für 2012 zu erhalten. Doch jetzt wirkt er "wie ein Fremdkörper" in der Mannschaft, sagt der Turnierbeobachter Daniel Stephan.

Ein paar Fehlwürfe brachten ihn völlig aus dem Tritt. "Ich weiß auch nicht, was da passiert ist", sagte Hens danach, und ihm schwant Böses für die nächste Partie gegen Mazedonien. "Wenn wir da die Bälle nicht reinmachen und ein ähnlich furchtbares Überzahlspiel an den Tag legen, werden wir gegen Mazedonien in eine ähnliche Situation kommen."

Sorgen macht aber nicht allein der Zustand von Hens, der mit 194 Länderspielen erfahrenste Mann im Kader. Auch der zweite routinierte Mann im Rückraum, Linkshänder Holger Glandorf, hinterlässt einen desaströsen Eindruck. Dabei zählte Glandorf in seinem Klub SG Flensburg-Handewitt zu den stärksten Rückraumspielern der Liga, mit 96 Toren war er in der Hinserie der drittbeste Schütze auf dem Feld. Nun wirkt es, als habe er seine Form vergessen, als er die Reisetasche für die EM in Serbien packte.

"In alte Fehler verfallen"

Alles ein Kopfproblem, sagt Michael Haaß, der Spielmacher von Frisch Auf Göppingen. Durch die Fehlwürfe gegen Tschechien hätten sie im Rückraum zu viel nachgedacht und manchmal zu lange gezögert, die richtige Entscheidung zu treffen. "Da geht es um Zehntel, nur um einen Tick, aber der ist entscheidend", sagt Haaß. "Wir sind in alte Fehler verfallen."

Viel Zeit aber hat die DHB-Auswahl nicht, diese Fehler im Rückraum zu korrigieren. Eine Niederlage gegen Mazedonien würde das vorzeitige Aus bei der EM bedeuten, sollten die Schweden anschließend gegen Tschechien gewinnen. Und die Aufgabe wird dadurch extrem erschwert, dass die Mazedonier um ihren Superstar Kiril Lazarov von 4.000 Zuschauern in der Cair-Hall unterstützt werden.

Sie entfachen einen infernalischen Lärm, den es, wie Heuberger weiß, "so nur auf dem Balkan gibt. Das ist pure Emotion." Pascal Hens meint: "Wir müssen versuchen, diesen Druck auf den Rängen in Motivation umzuwandeln." Gelingt dies, könnte es die Wende in diesem Turnier bedeuten.

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