Vor neuem Kerry-Besuch in Israel: Freiheit für 26 Palästinenser
Eine dritte Gruppe freigelassener palästinensischer Häftlinge wird in der Heimat begeistert gefeiert. Abbas fordert die Freilassung aller 5.000 Häftlinge.
JERUSALEM/RAMALLAH dpa | Vor einem neuen Vermittlungsbesuch des US-Außenministers John Kerry im Nahen Osten hat Israel weitere 26 palästinensische Langzeithäftlinge in die Freiheit entlassen. 18 von ihnen wurden in der Nacht zum Dienstag bei der Ankunft in Ramallah begeistert gefeiert. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas betonte vor dem Besuch Kerrys am Donnerstag, man werde keine Übergangslösungen im Nahost-Konflikt akzeptieren.
Der US-Außenminister will Abbas und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu den Entwurf eines Rahmenabkommens vorlegen. Dies soll auch eine Verlängerung der bis April vereinbarten Friedensverhandlungen ermöglichen. „Wir verhandeln über eine Lösung, die sofort zur Gründung eines Palästinenserstaates führt“, betonte Abbas aber bei einer Ansprache am Dienstagabend in Ramallah. Das Leid des palästinensischen Volkes dürfe nicht verlängert werden.
Abbas hatte die entlassenen Häftlinge zuvor bei einer persönlichen Begrüßung als „Helden“ bezeichnet und die Freilassung weiterer Häftlinge angekündigt. Nach der Entlassung aller 104 Langzeithäftlinge im März würden auch andere, kranke Gefangene freikommen, sagte er.
Drei der freigelassenen Palästinenser wurden in der Nacht in den Gazastreifen, fünf nach Ost-Jerusalem gebracht. „Wir versprechen, dass es ohne Freilassung aller Häftlinge kein endgültiges Friedensabkommen (mit Israel) geben wird“, sagte Abbas. Die Zahl der Häftlinge beläuft sich derzeit auf knapp 5.000.
„Helden“ für die einen, „Mörder“ für die anderen
Israel hatte sich mit der Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern im Juli zur Freilassung von 104 Langzeithäftlingen verpflichtet, von denen die Hälfte bereits im August und Oktober freikam. Die meisten von ihnen waren vor Beginn des Friedensprozesses im Jahre 1993 wegen Mordes verurteilt worden.
Netanjahu kritisierte den Heldenempfang für die Freigelassenen scharf. „Mörder sind keine Helden“, sagte er. „So erzieht man Kinder nicht zum Frieden.“ Aus Protest gegen die Entlassungen demonstrierten am Montagabend in Jerusalem Hunderte Angehörige von Terroropfern.
Adnan Afandi, der von seiner 30-jährigen Haftstrafe 21 Jahre abgesessen hat, sagte nach seiner Freilassung: „Es fühlt sich an, wie aus dem Sarg zu steigen und ins Leben zurückzukehren.“ Er hatte 1992 in Jerusalem zwei jüdische Jugendliche mit einem Messer verletzt und war danach von einer Israelin vor einem wütenden Lynchmob gerettet worden.
Kerry beginnt am Donnerstag seinen zehnten Vermittlungsbesuch binnen eines Jahres. Ein von den USA entworfener Sicherheitsplan für das Jordantal, das beide Seiten für sich beanspruchen, stößt auf palästinensischer Seite auf Kritik. Abbas betonte, das Jordantal müsse unter palästinensischer Kontrolle stehen. „Jeder muss wissen, dass dies eine rote Linie ist, die nicht überschritten werden darf.“
„Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir jegliche israelische Militärpräsenz auf dem Territorium eines palästinensischen Staates ablehnen“, sagte Abbas. Er sprach sich stattdessen für eine internationale Truppenpräsenz aus. Israels Siedlungen beschrieb Abbas als „Krebsgeschwür“, das man weiter bei den Vereinten Nationen bekämpfen werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht