Vor der Parlamentswahl in Italien: Milliardenschwere Versprechen
Rentenerhöhung, keine Studiengebühren, weniger Einkommensteuer: Die Parteien in Italien überbieten sich mit teuren Wahlkampfversprechen.
Am Postschalter stutzt die 70-Jährige, 1.000 Euro schiebt der Postmensch herüber. Da habe er sich wohl verrechnet, wendet die Rentnerin ein. Nichts da, erhält sie als Antwort, „die Regierung hat doch die Mindestrente auf 1.000 Euro monatlich erhöht, ganz so, wie es das Berlusconi-Lager für die Wahlen vom 4. März versprochen hat“.
Da kann eigentlich auch die Tierarztrechnung nicht mehr schrecken. Als der Termin vorbei, die Antiparasitenkur verordnet ist, zückt sie ihr Portemonnaie – doch der Veterinär winkt ab. „Haben Sie’s nicht mitbekommen, dass Tierarztbesuche jetzt auf Rechnung der Regierung gehen? Für Sie ist’s gratis.“ Bleibt der Zahnarzt: Das Gebiss wackelt, das könnte richtig teuer werden. Doch auch er schüttelt den Kopf und sagt: „Sie zahlen keinen Cent, ich rechne jetzt mit dem Ministerium ab.“
So geht es fröhlich weiter. Der Taxifahrer erledigt die Tour zum Bahnhof umsonst, am Schalter geht die Fahrkarte nach Mailand für lau über den Tresen, „Rentner fahren jetzt an Wochentagen gratis“. Ungefähr so wird Italien aussehen, wenn die Rechtsallianz im März die Wahlen gewinnt – jedenfalls wenn man Silvio Berlusconi glauben darf. Und es ist nur ein Teil seiner Versprechen.
Auch die KFZ-Steuer auf das erste Auto soll abgeschafft werden, und Einkommen sollen nur noch mit einer flat tax, einer einheitlichen Steuer von 23 Prozent belastet werden. Woanders mögen Parteien sich mit Bildungsoffensiven oder mit Digitalisierung beschäftigen, Berlusconi dagegen setzt im Wahlkampf auf seine seit mehr als 20 Jahren erprobten Rezepte: Wohltaten noch und nöcher. „Weniger Steuern für alle“, „eine Million Arbeitsplätze“ verhieß er in vergangenen Kampagnen, und 2008 versprach er gar, „binnen drei Jahren“ werde ein von ihm geführtes Kabinett den Krebs besiegen.
Fünf-Sterne-Bewegung wirkt fast moderat
Eigentlich sind die Kassen leer, der Berg der Staatsschulden türmt sich auf 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – doch im gerade angelaufenen italienischen Wahlkampf werden diese Daten zur vernachlässigbaren Größe, nicht nur für die Berlusconi-Allianz. Von linksaußen bis extrem rechts hagelt es Versprechen von Wohltaten, die mal sinnvoll, mal weniger sinnvoll klingen, die jedoch allesamt mit Milliarden zu Buche schlagen würden.
So kündigte die linke Liste Liberi e Uguali (LeU) an, sie wolle sämtliche Studiengebühren an den Unis abschaffen, macht etwa 1,8 Milliarden Euro. Matteo Renzi, Chef der gemäßigt linken, mit LeU verfeindeten Partito Democratico (PD), giftete, das sei „Trumpismus“.
Doch Renzi eröffnete seinerseits die Wahlkampagne mit einem genauso teuren Versprechen. Er selbst, bis Dezember 2016 Regierungschef, hatte in seiner Amtszeit die Zahlung der Rundfunkgebühren allgemein verbindlich gemacht, indem er sie einfach mit auf die Stromrechnung packte. Nun erfolgte die 180-Grad-Wende: Komplett abschaffen will er jetzt die Zahlung der Gebühren, 100 Euro jährlich pro Familie. Und weil die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo für die Einführung eines Mindestlohns von neun Euro eintritt, sattelte Renzi einfach eins drauf. Unter ihm soll es zehn Euro Mindestlohn geben.
Überhaupt die Fünf Sterne. Gegenüber den etablierten Kräften, gegenüber Berlusconi oder der PD, wirken die angeblich so wüsten Populisten fast moderat. Sie würden sich zum Beispiel mit einer Mindestrente von 780 Euro monatlich begnügen. Ihre Kernforderung ist ein Grundeinkommen für alle, für Arbeitslose genauso wie die sogenannten working poor, die sich trotz Arbeit finanziell kaum über Wasser halten können: Auch ihnen sollen 780 Euro garantiert werden. Da mag Berlusconi nicht hintan stehen, und wieder legt er die Latte höher. Für ihn sollen es bitteschön 1.000 Euro sein.
Und auch die Faschisten sind dabei. Casa Pound lockt mit einem Kindergeld von satten 500 Euro monatlich, selbstverständlich nur für den italienischen Nachwuchs, nicht für die Immigrantenkinder. Bei den Faschos wenigstens steht die Gegenfinanzierung: Ein Gutteil soll durch die Streichung der Mittel für die Migranten- und Flüchtlingsbetreuung hereinkommen.
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