Vor der Karlsruher Entscheidung zum Rauchverbot: Das Bangen der Einraumwirte
Mittwoch entscheidet Karlsruhe über das Gaststätten-Rauchverbot. Diesmal steht nicht die Gesundheitsfrage im Vordergrund, sondern ökonomische Zumutbarkeit für Kleinwirte.
36 Quadratmeter sind nicht teilbar. Das findet zumindest die Berliner Wirtin Sylvia Thimm. Sie sagt, dass sie in ihrer kleinen Musikkneipe "Doors" kein Extra-Zimmer für Raucher einrichten kann. Und klagt deswegen zusammen mit einem Gastronomen aus Baden-Württemberg vor dem Bundesverfassungericht in Karlsruhe. Das muss am Mittwoch darüber entscheiden, ob das für Einraumkneipen geltende absolute Rauchverbot in 13 der 16 Bundesländer verfassungswidrig ist.
Durch diese Regelung seien "eine Vielzahl der Einraumkneipen, in denen Getränke das Angebot bestimmen, existenziell gefährdert", sagt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), der die Klage der Wirte unterstützt. Der Verband präsentierte den Verfassungsrichtern nach eigenen Angaben 14 verschiedene Umfragen von Getränkeherstellern, Brauereibünden und aus dem eigenen Haus. Die Ergebnisse seien eindeutig, sagt Hartges: Viele kleine Kneipen hätten in den Wintermonaten des vergangenen Jahres Umsatzeinbußen von 20 bis 40 Prozent gemeldet.
"Diese Zahlen führen in die Irre, denn seit der Euro-Einführung gehen die Einnahmen der Wirte generell zurück", sagt der SPD-Abgeordnete Lothar Binding, einer der prominentesten Rauch-Gegner. "Das Rauchverbot hat damit eher wenig tun." Binding verweist darauf, dass laut dem Deutschen Krebsforschungsinstitut etwa 3300 Menschen jährlich an den Folgen des Passivrauchens sterben. In einem Urteil des Verfassungserichtes zu Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln von 1997 heißt es, das Rauchen fordere mehr Todesopfer als "Verkehrsunfälle, Aids, Alkohol, illegale Drogen, Morde und Selbstmorde zusammen." Doch um die Gefährlichkeit des Rauchens geht es in Karlsruhe dieses Mal nicht.
Die Richter prüfen laut Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier vielmehr, ob die wirtschaftlichen Folgen des generellen Verbots den bundesweit etwa 68.000 Einraum-Wirten zugemutet werden können. Sie müssen dabei auch beurteilen, ob Gäste von Einraumkneipen in Gaststätten mit Raucherräumen abwandern und das absolute Rauchverbot deshalb unverhältnismäßig ist. Gerichtspräsident Papier will angesichts 30 weiterer anhängiger Klagen "exemplarisch" klären, inwieweit die Regelungen der Bundesländer insgesamt verhältnismäßig sind.
Dass dem oft offenbar nicht so ist haben hohe Richter bereits entschieden. Die Landesverfassungerichte von Sachsen, Saarland und Rheinland-Pfalz haben die Gesetze in ihren Ländern vorerst außer Kraft gesetzt - dort ist das Rauchen in Kleinstkneipen vorerst weiter erlaubt. Der Gaststättenverband hofft nun darauf, dass sich Karlsruhe den Richterkollegen in seinem Urteil anschließt. Dabei wolle man gar kein generelles Aufheben des Rauchverbots erreichen, sagt Geschäftsführerin Hartges. "Unsere Klage richtet sich nicht generell gegen den Nichtraucherschutz. In Restaurants und Hotels ist das Rauchverbot weitgehend akzeptiert."
Neben zwei Kneipenwirten klagt auch ein Discobetreiber aus Heilbronn gegen das ausnahmlose Rauchverbot in Diskotheken.
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