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Vor den Wahlen in GhanaAus alt mach neu

Ghana wählt unter dem Eindruck einer schweren Wirtschaftskrise. Kann das dem Oppositionskandidaten helfen, der selbst bereits Präsident war?

Trotz Wirtschaftskrise: Unterstützer der Regierungspartei NPP in Ghanas Hauptstadt Accra Foto: Francis Kokoroko/reuters

Accra taz | Zielstrebig läuft Yayra Agbofah durch die unzähligen Gänge des Kantamanto Market. Der Markt in Ghanas Hauptstadt Accra ist einer der größten Umschlagplätze für gebrauchte Kleidung. An einem Stand mit Handtaschen stoppt der 36-Jährige abrupt. „Gebrauchte Kleidung lässt sich gut in Taschen upcyceln“, erklärt er, während er die verschiedenen Formen und Verarbeitungsweisen begutachtet. Eine kurze Unterhaltung und wenige Cedi später läuft er bepackt mit seinen Second-Hand-Funden weiter. Ziel ist das Studio seiner Organisation The Revival im Herzen des Markts, wo der De­signer weggeworfener Kleidung neues Leben einhaucht.

Geschätzt 15 Millionen gebrauchte Kleidungsstücke landen jede Woche in großen Containern aus Europa, Nordamerika oder Asien in Ghana. Das meiste davon geht zum Kantamanto Market im Herzen Accras. Zwei Mal die Woche schlängeln sich Laster vom Hafen der Stadt durch die engen Straßen bis zum Markt vor. „Von 2 Uhr bis 6 Uhr morgens wird abgeladen, damit die Lkws den Verkehr nicht behindern“, erklärt Yayra Agbofah. Anschließend werden die in Plastik verschweißten Kleiderballen in Lagerräume gebracht, von wo aus sie an die Händ­le­r*in­nen verkauft werden.

„Die Mengen, die hier ankommen, werden immer größer, aber die Qualität lässt nach. Vieles was hierher geschickt wird, ist von so schlechter Qualität, dass sich eine Reparatur für die Händ­le­r*in­nen gar nicht mehr lohnt“, sagt Yayra Agbofah. Von den Millionen Kleidungsstücken landen schätzungsweise 40 Prozent auf dem Müll. Hier setzen dann Yayra Agbofah und sein Team ein. Aus Jeansabfällen ist auf die Art Schutzkleidung für Ar­bei­te­r*in­nen auf Ananasfarms entstanden. „Aber teilweise ist es wirklich schwer, aus dem Müll noch etwas Brauchbares zu machen“, sagt er offen.

Auf dem Markt habe sich das Gerücht verbreitet, dass internationale Medien schreiben würden, man solle den Handel mit Altkleidern verbieten, erzählt er. In der Folge wollen viele Händ­le­r*in­nen nicht mehr, dass Fotos gemacht werden – aus Sorge, dass der Import irgendwann verboten werden könnte. „Aber das sollte nicht das Ziel sein. Stattdessen muss besser sortiert werden, sodass bessere Qualität hierher verschifft wird und der Müll bereits in den Herkunftsländern aussortiert wird“, sagt Agbofah.

Plötzlicher Absturz der Wirtschaft

Rund 30.000 Menschen arbeiten in den engen Gassen des Marktes, schätzungsweise 85 Prozent der über fünf Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen Accras kaufen hier ein. Der Markt ist umso bedeutender, seit Ghana 2022 in eine seiner schwersten Wirtschaftskrisen überhaupt schlitterte.

Wir sind noch lange nicht über den Berg, aber die Reformen greifen

Philip Cobbina, Wirtschaftsanalyst:

Steigende Lebenshaltungskosten und die angespannte Wirtschaft sind in dem westafrikanischen Land allgegenwärtige Themen, bevor am 7. Dezember die Bevölkerung einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament wählt. Nach Einschätzung des ghanaischen Wirtschaftsanalysten Philip Cobbina läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Mahamudu Bawumia von der regierenden NPP (New Patriotic Party), und dem früheren Präsidenten John Mahama von der größten Oppositionspartei NDC (National Democratic Congress) hinaus.

Während 2019 Ghana noch die am schnellsten wachsende Wirtschaft der Welt war, erklärte sich der Staat 2022 notgedrungen zahlungsunfähig. Die Kombination aus hoher Staatsverschuldung, Hyperinflation, der Covidpandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, mit dem starken Anstieg an Preisen für Grundnahrungsmittel, brachten das Land an seine Grenzen. Präsident Nana Akufo-Addo (NPP) blieb wenig anderes übrig, als beim IWF ein Rettungspaket im Umfang von 3 Milliarden US-Dollar zu beantragen und sich dafür zu tiefgreifenden Reformen zu verpflichten, um die Staatsfinanzen wieder in den Griff zu bekommen.

„Zwei Jahre später lassen sich bereits deutliche Verbesserungen feststellen. Wir sind noch lange nicht über den Berg, aber die Reformen greifen“, sagt Cobbina. NPP-Kandidat Mahamudu Bawumia jedenfalls versucht, sich mit diesem Reformkurs erneut das Vertrauen der rund 18,8 Millionen registrierten Wäh­le­r*in­nen für eine dritte Amtszeit seiner Partei zu sichern. Das hat bislang noch keine ghanaische Partei geschafft.

Sein Konkurrent John Mahama, der Ghana von 2012 bis 2017 für die NDC regierte und dann die Wahlen an den bis heute regierenden Akufo-Addo von der NPP verlor, setzt ebenfalls auf Wirtschaftsthemen. Sein Plan der „24-Stunden-Wirtschaft“ sieht vor, in Schlüsselbranchen ein Dreischichtensystem einzuführen, um Ressourcen effizienter zu nutzen und Arbeitsplätze zu schaffen. In die Karten könnte ihm auch spielen, dass viele Gha­nae­r*in­nen müde sind von den harten letzten Jahren.

Der Wahlkampf ist auch im Kantamanto Market nicht zu übersehen. Eine Frau mit Megafon dreht ihre Runden und macht Werbung für die NPP. Kurz beobachtet Yayra Agbofah die Dame. Seit Wochen komme sie bereits her, berichtet er. Überzeugt habe sie ihn aber noch nicht. Er weiß noch nicht, wen er wählen soll. Vermutlich entscheidet er dies spontan am Wahltag.

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