Vor dem Urteil aus Karlsruhe: Wie viel Würde sichert Hartz IV?
Karlsruhe entscheidet am Dienstag, ob der Hartz-IV-Regelsatz für Arbeitslose und Niedrigverdiener eine menschenwürdige Existenz sichert. Sozialverbände hoffen auf Verbesserungen.
FREIBURG taz | Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht sein lang erwartetes Hartz-IV-Urteil verkünden. Die Richter des Ersten Senats werden erklären, ob Hartz-IV-Bezieher künftig mehr Geld bekommen und ob die Sätze in einem nachvollziehbaren Verfahren berechnet wurden. Dabei stehen sowohl die Leistungen für Erwachsene wie auch die für Kinder auf dem Prüfstand.
Derzeit erhalten knapp sieben Millionen Menschen in Deutschland Hartz-IV-Leistungen. Der monatliche Satz für Erwachsene beträgt inzwischen 359 Euro, Kinder erhalten je nach Alter zwischen 215 und 287 Euro. Hinzu kommen Zuschüsse für Miete und Heizung. Kindergeld erhalten Hartz-IV-Empfänger allerdings nicht. Viele Hartz-IV-Bezieher arbeiten zwar, verdienen aber so wenig, dass der Staat ihr Einkommen "aufstocken" muss.
Der Satz für Erwachsene wird anhand der Einkommens- und Verbrauchsstudie (EVS) des Statistischen Bundesamts berechnet. In der EVS wird alle fünf Jahre anhand von 75.000 repräsentativen Haushalten untersucht, was die Deutschen tatsächlich ausgeben und konsumieren. Der Hartz-IV-Satz für einen Erwachsenen bemisst sich danach, was die ärmsten 20 Prozent der Single-Haushalte verbrauchen, die nicht Hartz IV beziehen.
Bei der mündlichen Verhandlung im Oktober zeichneten sich drei Probleme mit der Höhe des Hartz-IV-Satzes für Erwachsene ab. So zweifelten die Richter, ob die Vergleichsgruppe überhaupt ein geeigneter Maßstab ist, weil auch viele Niedriglöhne heute kein menschenwürdiges Leben mehr sichern. Außerdem konnten die Richter die Umrechnung der Ausgaben der Vergleichsgruppe in den Hartz-IV-Satz schwer nachvollziehen. An vielen Einzelpunkten wurden dabei Abschläge gemacht. So sind zum Beispiel im Hartz-IV-Satz keine Ausgaben für Bildung berücksichtigt, weil Bildung eine Landesaufgabe sei. Schließlich deutete sich an, dass die Richter Hartz IV nicht mehr streng als alle Ausgaben abdeckende Pauschale sehen wollen. Für ungewöhnliche Sonderausgaben könnte möglicherweise doch wieder ein Antrag auf zusätzliche Leistungen gestellt werden.
Maßstab für das Gericht werde voraussichtlich das "Recht auf menschenwürdige Existenzsicherung" sein, erklärte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der Verhandlung.
Sozialverbände fordern vor allem eine eigenständige Berechnung und Anhebung der Hartz-Sätze für Kinder und Jugendliche. Bisher werden diese einfach aus dem Satz für Erwachsene abgeleitet. Diese Verfahrensweise ist umstritten. Ein Kind bis sechs Jahren bekommt derzeit zum Beispiel 60 Prozent der Hartz-Leistung für einen Erwachsenen.
Um eine Verurteilung durch das Bundesverfassungsgericht zu vermeiden, hat die Bundespolitik kurzfristig gegengesteuert. Seit August bekommen Schulkinder jährlich 100 Euro extra für Schulbedarf, und für 6- bis 13-Jährige Kinder wurde sogar eine neue Altersstufe eingeführt. Hier wird jetzt 70 Prozent des Normalsatzes ausgezahlt, monatlich rund 35 Euro mehr als bisher.
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