Vor dem Parteitag in Leipzig: Frau CDU muckt auf
Ein neuer Anlauf für eine verbindliche Quote: Die Frauen-Union stört den ohnehin fragilen Frieden bei den Christdemokraten.
Die 23 Jahre alte Juristin ist Vorsitzende der Jungen Union Bremen. Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union Mitte Oktober in Saarbrücken hat sie Sticker verteilt: „Ich will #MehrMädels (in der JU)“ stand darauf. Die weit überwiegend männlichen Delegierten haben freundlich gelacht, und der JU-Vorsitzende Tilman Kuban sagte: „Wir müssen mehr Frauen für die Junge Union gewinnen.“ In der Jungen Union zählt der Einsatz gegen die Frauenquote zur immer wieder geübten Folklore. Am Ende saßen 7 Frauen im 31-köpfigen Vorstand.
Wie kommt es also, dass eine Frau wie Wiebke Winter gegen eine Frauenquote ist, wie die Frauen-Union sie nun auf dem Leipziger Parteitag zur Debatte stellt? Aus dem seit bald einem Vierteljahrhundert geltenden – unverbindlichen – 33-Prozent-Quorum möchte die Frauen-Union eine feste Mindestquote für die Besetzung von Parteiämtern machen. Für Listen soll künftig das Reißverschlussverfahren gelten. Und Kreisverbände, die bei der Gleichstellung mit gutem Beispiel vorangehen, sollen beim parteiinternen Finanzausgleich gar eine Prämie erhalten. Schrittweise, heißt es in dem Antrag der Frauen-Union, soll die Mindestquote „durch weitere messbare und konkrete Zielvereinbarungen bis zur Parität mit flexiblen Instrumenten ergänzt“ werden.
In der Parteizentrale war man wenig erfreut über den Vorstoß. In der CDU gärt es, in der Koalition ist der Teufel los – was soll jetzt noch diese revolutionäre Anwandlung der Frauen? Der Vorstoß könnte zudem zu einem Desaster für Annegret Kramp-Karrenbauer werden, zu einer Machtdemonstration der CDU-Jungs um Friedrich Merz, die den „Mädels“ mal zeigen, wo es langgeht bei den Konservativen. Bei ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden vor Jahresfrist in Hamburg hatte die Frauen-Union vorab gute Netzwerkarbeit geleistet unter den Delegierten. Kramp-Karrenbauer schuldet ihren Frauen etwas, fragt sich nur, ob das gerade jetzt sein muss.
Bei der CSU fiel die Quote durch
Beim Parteitag der Schwesterpartei CSU hatte man bereits beobachten können, wie das Frauenthema eskalieren kann. Mitte Oktober hatte CSU-Chef Markus Söder seinen Delegierten die Ausweitung der Frauenquote für Parteiämter vorgelegt. Der Leitantrag sah vor, die 40-Prozent-Quote, die bereits auf Bezirks- und Parteivorstandsebene gilt, auf die Kreisverbände auszuweiten. Viele an der CSU-Basis wollten das nicht. Ihr Argument: So viele Frauen habe man auf dieser Ebene einfach nicht. Nicht nur CSU-Männer liefen Sturm, auch Frauen traten ans Mikrofon und erklärten, Frauen, die etwas könnten, würden auch was bei der CSU. Erst nachdem die 40-Prozent-Quote in Kreisverbänden von einer Vorschrift zu einer Soll-Bestimmung heruntergedimmt worden war, beruhigten sich die Gemüter. Der Image-Schaden für Söder aber bleibt.
Rita Süssmuth, frühere Bundestagspräsidentin
Der ganze Vorgang darf als Warnung an die CDU-Frauen verstanden werden. Die Antragskommission für den CDU-Parteitag hat nun vorgeschlagen, den Antrag der Frauen-Union an eine eigens geschaffene Kommission zu verweisen. Begründet wird dies unter anderem damit, dass eine Lösung für Unterverbände gefunden werden müsse, in denen es – siehe die CSU-Debatte – gar nicht genug Frauen für die zu besetzenden Positionen gebe. Das klingt nach Arbeitskreis und Wiedervorlage. Was man halt für Möglichkeiten hat, wenn ein unangenehmes Thema vertagt werden soll.
Annette Widmann-Mauz, Integrationsstaatsministerin und seit vier Jahren Vorsitzende der Frauen-Union, macht nicht den Eindruck, als sei das Thema damit für sie abgeräumt. Ihr geht es um Repräsentanz von Frauen, für den Parteitag rechnet sie durchaus mit Wortmeldungen zur Sache. „Wir geben unsere Ziele nicht auf“, sagt sie, „wir verfolgen sie weiter.“ Und: „Es muss klar sein: Beim Bundesparteitag 2020, da wird die CDU sich entscheiden müssen.“ Das bedeutet: Diesmal geben wir womöglich noch einmal Frieden – aber 2020, ein Jahr vor der Bundestagswahl, muss eine Lösung kommen.
Frauen und andere Minderheiten
So geht es nun seit Jahrzehnten bei der Union. Geschlechtergerechte Politik wird entweder zum Nebenthema verzwergt, oder sie wird derart aufgeblasen, dass feste Regularien kaum mehr abstimmungsfähig erscheinen. Im taz-Interview hat Norbert Lammert, der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, kürzlich gesagt, er verstehe zwar die Ungeduld der Frauen-Union. Lammert hält es aber für klug, „noch einmal darüber nachzudenken, ob es jenseits obligatorischer Quoren intelligentere Verfahren gibt, die eine Verbesserung der angemessenen Repräsentanz von Frauen und Männern, Jüngeren und Älteren, Einheimischen und Zugezogenen, Gläubigen und Ungläubigen praktikabel macht“.
Damit stellt er die Frauen in der Union in eine Reihe mit Minderheiten. Angesichts des geringen Frauenanteils in der Mitgliedschaft könnte man manchmal tatsächlich auf diese Idee kommen. Wenn es um Kandidatinnen für Parteiämter geht, wird regelmäßig beklagt, da seien ja keine.
Die Debatte über die Frauen, die unerklärlicherweise nicht zur Verfügung stünden, ist ein gut eingeübtes Ritual. Immer wenn es bei der CDU darum geht, die Beteiligung von Mandatsträgerinnen verbindlich zu machen, melden sich jene Stimmen, die darauf hinweisen, es sei – mangels Frauen – schier unmöglich, derlei Begehrlichkeiten zu erfüllen. Der letzte CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte zwar versucht, seine Partei und deren Organisationsstruktur attraktiver für weibliche Mitglieder zu machen, seine Amtszeit reichte dafür aber letztlich nicht aus. Mittlerweile ist die CDU dermaßen mit ihrer Selbstfindung befasst, dass das Frauenthema gern zu einer untergeordneten Frage erklärt wird.
Wenige Tage vor dem Parteitag hat nun die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth ihre Partei davor gewarnt, die Einführung der verbindlichen Frauenquote erneut hinauszuzögern. „Wir können doch nicht ewig in der Vergangenheit stehen bleiben“, sagte die einstige Familienministerin dem Weser-Kurier. „Wenn es bei der Freiwilligkeit bleibt, bleiben wir bei dem schlechten Zustand stehen.“ Die CDU habe es nicht einmal geschafft, ihr unverbindliches Drittel-Frauenquorum zu erfüllen. Für Frauen dürfe es nicht bei einer „Bittgesellschaft“ bleiben, „es muss eine Rechtsgesellschaft werden.“
Die Zahl weiblicher Mitglieder dümpelt bei 26 Prozent
Gerne wird bei der Union auf die prominenten Frauen in Spitzenämtern verwiesen. Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer oder Ursula von der Leyen gelten als lebende Beweise dafür, dass man es als Frau doch schaffen kann in der CDU. Und das, obwohl in der Bundespartei nur 26 Prozent der Mitglieder Frauen sind, in der CSU sogar nur 20 Prozent. Auch in der Unionsfraktion im Bundestag ist nur jede fünfte Abgeordnete weiblich. Nachdem zu Beginn des Jahrtausends der Stimmenanteil unter den Wählerinnen gesunken war, hat die Partei seit Beginn von Angela Merkels Kanzlerschaft wieder zugelegt. Bei der Bundestagswahl 2017 hatten schließlich mehr Frauen als Männer den Unionsparteien ihre Stimmen gegeben. Zugleich waren vor allem männliche Wähler in den mittleren Altersgruppen zur AfD und zur FDP abgewandert.
Wiebke Winter, die Bremer Vorsitzende der Jungen Union, sieht natürlich das Frauen-Problem ihrer Partei. „Wir gehen das Thema ernsthaft an, aber wir können dabei auch lachen.“ Sie verteilt beim Deutschlandtag #MehrMädels-Sticker und knüpft innerhalb der Jungen Union Netzwerke im dazugehörigen Arbeitskreis. Siebzig Frauen sind sie schon. „Meine Generation ist anders“, sagt sie. „Es ist nicht alles perfekt, aber schon deutlich besser als für die Frauen damals.“ Aktuell sind ein Drittel der knapp 100.000 JU-Mitglieder Frauen.
Beim Deutschlandtag in Saarbrücken bedankte sich Junge-Union-Chef Tilman Kuban in seiner Rede ausdrücklich bei ihr und der Landeschefin von Schleswig-Holstein, Birte Glißmann. „Wiebke und Birte – das sind starke Frauen, die wir im Rücken haben. Die brauchen keine Quote.“ Jubel im Saal. Wie sagt Wiebke Winter dazu? „Als Frau ist es bei der Jungen Union wie für Männer, die zum ersten mal zum Hot Yoga gehen: am Anfang vielleicht ungewohnt, aber zum Schluss goldrichtig.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Krieg in Gaza
Kein einziger Tropfen sauberes Wasser
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus