Vor Sylt hat Greenpeace ein Riff aus Steinen errichtet: Steinzeit in der Nordsee

Ob Hunderte Felsen im Meeresschutzgebiet die Schifffahrt gefährden, beschäftigt jetzt die Gerichte

Stein über Bord: Am 18. August 2008 startete Greenpeace mit dem Versenken der Felsen im Schutzgebiet westlich von Sylt. Bild: dpa

HAMBURG taz | Oliver Salge ist sehr zufrieden: "Jetzt kann endlich über die Sache geredet werden", freut sich der Leiter der Meereskampagne bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Hamburg. Und die Sache ist schwerwiegend: Es geht zum 320 tonnenschwere Findlinge, die Greenpeace vor drei Jahren im Sylter Außenriff vor der nordfriesischen Insel versenkt hat. Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig muss nun klären, ob diese Steine gefährlich sind - oder nicht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als höchste Instanz am Donnerstag verfügt.

Greenpeace hatte im August 2008 an die 1.000 Natursteine in dem Schutzgebiet vor Sylt versenken wollen. Die Steine sollten die Fischerei mit Grundschleppnetzen ebenso wie den Sand- und Kiesabbau am Meeresgrund verhindern. Beides pflüge den Boden um, kritisierte Greenpeace seinerzeit: "Hier werden täglich Millionen Meeresorganismen sinnlos getötet." Deshalb solle mit dem Versenken der Steine "ein Schutzgebiet geschützt werden", wie Greenpeace-Meeresbiologin Iris Menn erklärte.

Nach wenigen Tagen war die Aktion allerdings von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Nord untersagt worden war. Diese sah einen Verstoß gegen das Verbot, Gegenstände auf hoher See einzubringen. Sie befürchtete unter anderem, dass Fischkutter kentern könnten.

Das Meeresgebiet liegt westlich der nordfriesischen Insel Sylt in der Nordsee.

Fläche: Das Areal liegt in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und untersteht damit nicht dem Land Schleswig-Holstein, sondern dem Bund.

Größe: Mit rund 5.300 Quadratkilometern ist das Außenriff etwa sieben Mal so groß wie Hamburg oder ein Drittel Schleswig-Holsteins.

Schutzstatus: Das Areal gehört zum EU-Schutzgebietsnetz Natura 2000. Die Fischerei sowie der Abbau von Sand und Kies ist dennoch erlaubt.

In einem ersten Verfahren war Greenpeace 2010 erfolgreich gewesen. Das VG Schleswig erklärte das Verbot für gegenstandlos, weil das WSD für die Gefahrenabwehr auf hoher See nicht zuständig sei. Das sehen die Leipziger Richter anders, das WSD sei sehr wohl zuständig.

Aber das Schleswiger Gericht solle erst mal untersuchen, ob von den Steinen überhaupt eine Gefahr für die Fischerei ausgehe. Das sei in der ersten Instanz unterlassen worden. "Endlich geht es um den Kern der Sache", kommentiert Salge, nämlich um "den dringend notwendigen Schutz der Meere."

Greenpeace betrachtet das Steineversenken am Sylter Außenriff als Erfolg, auch wenn nur ein Drittel der Felsen in 30 Meter Tiefe auf dem Meeresboden liegen. Bereits ein Jahr nach der Aktion hatten die Umweltschützer einen ersten Monitoring-Bericht präsentiert. Demnach haben die Steine das Gebiet, das zum EU-Schutzgebietsnetz Natura 2000 gehört, tatsächlich vor der Fischerei mit zerstörerischen Methoden bewahrt. Auf den Steinen hätten sich die ersten lebensraumtypischen Organismen angesiedelt. "Schutzgebiete wirken wie eine Atempause für die übernutzten Meere", sagte damals der Meeresexperte Thilo Maack.

Im neuesten Bericht vom 24. Mai weist Greenpeace zahlreiche Organismen auf den Steinen nach. Seenelken, Seesterne, Muscheln, Moostiere, Krebse und zahlreiche Fischarten haben die Findlinge zu ihrer Heimat erkoren. Die Felsen seien "Teil des natürlichen Riffs geworden", so Maack.

Salge verweist nun auf Vorbilder in Schweden und Dänemark. Dort seien lädierte Riffe mit großen Felsen wieder aufgeschüttet und zu lebendigen Biotopen gemacht worden. Dass in Deutschland verboten würde, was dort als Schutzmaßnahmen gilt, sei nicht nachvollziehbar. Zudem seien die Findlinge vor Sylt in den Seekarten eingetragen, sagt Salge: "Wir sehen da keine Gefahr."

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