Vor Gipfel im Dezember: Obamas Klimaziel erhöht Druck auf EU
Die USA und Großbritannien planen eine deutliche Reduktion der Treibhausgase. Auch 150 europäische Konzerne plädieren für konsequente Regeln.
Der designierte US-Präsident Barack Obama hat am Mittwoch angekündigt, die Treibhausgase in seinem Land bis 2020 auf den Stand von 1990 zurückzufahren. Bis 2050 solle eine Reduktion um weitere 80 Prozent erreicht werden. Er meldete damit Amerikas Führungsrolle in einem unter der Bush-Regierung völlig vernachlässigten Politikbereich an. Gleichzeitig verabschiedete das britische Unterhaus ein strenges Klimaschutzgesetz, das ebenfalls 80 Prozent weniger CO2 bis 2050 vorsieht. Neben sämtlichen Industriebereichen sollen dafür auch Schifffahrt und Flugverkehr in die Pflicht genommen werden.
Damit kommt gerade noch rechtzeitig vor dem entscheidenden Klimagipfel Mitte Dezember in Brüssel neuer Schwung in die Klimadebatte. In einer ersten Reaktion auf den Börsencrash und die nun leeren Auftragsbücher in vielen Branchen hatten nämlich viele Europaabgeordnete, aber auch Vertreter von Regierungen genau den gegenteiligen Weg angekündigt: Angesichts der Wirtschaftskrise dürften die Unternehmen nicht auch noch durch Umweltauflagen zusätzlich belastet werden.
"Das Moratorium muss so lange gelten, bis ein internationales Abkommen mit vergleichbaren Lasten für die wichtigsten Wettbewerber in Kraft getreten ist", fordert der Europaabgeordnete und Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk. Wenn die EU mit einer strengen Klimagesetzgebung vorpresche, dann werde die Konkurrenz in den USA, China und Indien begünstigt. Standortverlagerungen seien die Folge.
Dem widerspricht die EU Corporate Leaders Group on Climate Change (EU CLG). Darin sind unter Schirmherrschaft des Prince of Wales 150 Unternehmen vertreten, darunter der Energiekonzern Enel, die Fortisbank, Allianz, Shell und Vodafone, die ja ebenfalls unter der Finanz- und Wirtschaftskrise leiden. Am Mittwoch trafen sich Vertreter der CLG in Straßburg mit den Abgeordneten, die das Klimapaket mit dem Rat aushandeln. In diesen Gesprächen hinter verschlossenen Türen soll ein für alle Seiten akzeptabler Kompromiss erreicht werden, den das EU-Parlament am 4. Dezember absegnet und der Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 12. Dezember einstimmig beschließt.
Die irische konservative Abgeordnete Avril Doyle warnte die französische Ratspräsidentschaft, dem Drängen einiger Länder wie Polen und Deutschland nachzugeben und Abstriche von dem Entwurf zu machen. "Wir werden kein Diktat vom Gipfel akzeptieren. Wir haben die volle Mitentscheidung und werden im nächsten Jahr neue Änderungsanträge stellen, wenn das Ergebnis für uns nicht annehmbar ist."
Für Abgeordnete wie Doyle, die ein ehrgeiziges Klimapaket wollen, sind sowohl Obamas Ankündigung als auch die Unterstützung großer Unternehmen von unschätzbarem Wert. Denn beides entkräftet das Argument, Europa würde sich mit dem Übergang ins CO2-arme Zeitalter ökonomisch ins Hintertreffen bringen. Richard Burrett, Sprecher von CLG, sagte am Mittwoch: "Wir glauben an die Vorteile rechtzeitigen Handelns. Das ist wesentlich billiger, als wenn wir das Paket aufschieben. Die Unternehmen brauchen klare gesetzliche Rahmenbedingungen, um zu investieren." Auch Burrett warnte die Regierungen, das Paket auf dem Dezembergipfel zu verwässern. "Wir müssen jetzt in die CO2-arme Zukunft investieren und unser Wirtschaftssystem umstellen. In die Klimakonferenz nächstes Jahr in Kopenhagen sollten wir mit einem soliden europäischen Gesetzespaket einsteigen."
Experten des britischen Unterhauses schätzen die Kosten für ihr neues Klimagesetz auf 1 bis 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wie Avril Doyle am Mittwoch in Erinnerung rief, würden die Folgen einer Klimaerwärmung um mehr als 2 Grad ein Vielfaches kosten.
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