Vor Gericht: Radtour mit brutalem Ende
Bei einer Kontrolle wird ein Mann durch einen Polizisten schwer verletzt. Der Beamte wird vom Gericht freigesprochen.
Das Amtsgericht Tiergarten hat am Montag einen Polizeibeamten von dem Vorwurf der Körperverletzung im Amt freigesprochen. Der Polizist Andreas G. hatte dem Dolmetscher Ninh K. das rechte Ellenbogengelenk gebrochen. Das sei ihm nicht anzurechnen, urteilte die Richterin. "Er ist berechtigt davon ausgegangen, von dem Mann angegriffen werden zu können, und musste sich verteidigen.
Ninh K. war im Frühjahr im angetrunkenen Zustand Fahrrad gefahren - in Schlangenlinien und ohne Beleuchtung -, als eine Polizeistreife ihn anhielt. Die Beamten wollten einen Alkoholtest machen und den Ausweis sehen. Bis zu diesem Zeitpunkt stimmen die Aussagen der Polizisten und des Dolmetschers überein.
Die Polizeibeamten sprachen von einen aggressiven Mann, der wild mit den Armen gestikuliert und lautstark geschimpft hätte. Der gebürtige Vietnamesen hätte sich geweigert, seinen Ausweis zu zeigen und immer wieder ausgerufen, er hätte auch Rechte. Als Ninh K. in seine Tasche greifen wollte, sah sich der Polizist bedroht: "Ich habe deshalb mit dem Kreuzfesselgriff das von mir erlernte mildeste Mittel angewandt, um ihn zu fassen", so Andreas G. vor Gericht. Im Kreuzfesselgriff werden die Arme hinter dem Rücken gekreuzt und der Körper durch den Armhebel mit dem Bauch nach unten auf den Boden gepresst.
Ninh K. hingegen schilderte, er habe sich wegen des "geringfügigen Delikts" Trunkenheit durch die Polizisten wie ein Schwerverbrecher behandelt gefühlt. Er hätte sich anfangs geweigert, seinen Pass zu zeigen. "Dann wollte ich ihn aus der Tasche holen. Doch dazu kam es nicht. Der Polizist warf mich auf die Erde." Durch den Bruch im Ellenbogengelenk und eine Prellung am Daumen hat K. bleibende Schäden. Er kann trotz langer Physiotherapie seinen rechten Arm nicht ausstrecken und verspürt Schmerzen im Daumen.
Wie so oft stehen bei Strafverfahren gegen Polizisten keine unabhängigen Zeugen zur Verfügung. Staatsanwaltschaft und Gericht schenkten der Variante der Polizisten mehr Glauben und sprachen Andreas G. frei. K.s Anwalt sprach von einer "Showveranstaltung". Da er auf eine Nebenklage verzichtet hat, stehen ihm jedoch keine Rechtsmittel zur Verfügung. Somit wird das Urteil wohl rechtskräftig werden. Der Dolmetscher hat auch kaum Aussichten, in einem Zivilverfahren eine Entschädigung zu erstreiten. Ninh K. muss sich zudem noch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. MARINA MAI
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