Vor Gericht wegen Flüchtlingsrettung: Freispruch für tunesische Fischer
Ein italienisches Berufungsgericht hat zwei tunesische Fischer freigesprochen. Nach der Rettung afrikanischer Bootsflüchtlinge waren angeklagt und verurteilt worden.
Das Berufungsgericht in Palermo hat zwei tunesische Fischer freigesprochen, die im August 2007 über 40 afrikanische Bootsflüchtlinge aus Seenot gerettet und nach Italien gebracht haben. Die beiden waren 2009 in erster Instanz zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Behörden hatten sie zunächst der Schlepperei bezichtigt, später warf man ihnen vor, gegen die Anordnung der italienischen Marine nach Lampedusa eingefahren zu sein.
Zu Unrecht, entschied nun das Berufungsgericht. Es habe sich eindeutig um eine Notlage gehandelt, das Verhalten der beiden Kapitäne sei daher gerechtfertigt. Nach nur zehnminütiger Verhandlung hob es das Urteil gegen die Tunesier am Mittwoch auf. "Wir sind sehr froh, dass die Sache nach über vier Jahren zu einem guten Ende gekommen ist", sagte der Anwalt Leonardo Marino.
Marino und sein Kollege Giacomo la Russa hatten die Angeklagten unentgeltlich verteidigt. Bezahlen konnten die Fischer sie nicht - Italien hatte nach der Rettungsaktion ihre Boote bis heute beschlagnahmt, wegen der Anklage wurden ihre Lizenzen für die Hochseefischerei eingezogen. Es sei zu hoffen, dass es "nie wieder zu so menschenverachtenden Prozessen kommt", sagte Judith Gleitze, von der Hilfsorganisation Bordeline Europe, die den Prozess verfolgt hatte. "Italien muss die beiden für die Haft entschädigen."
Derweil haben am Dienstag afrikanische Flüchtlinge in einem völlig überfüllten Internierungslager auf Lampedusa aus Protest einen Brand gelegt. Viele der 1.200 dort Festgehaltenen versuchten zu fliehen, Sicherheitskräfte hätten sie aufgehalten, sagte der Bürgermeister von Lampedusa, Bernardino De Rubeis. Bei Kämpfen zwischen den meist aus Tunesien stammenden Flüchtlingen und der Polizei wurden mehrere Menschen verletzt. Der Brand zerstörte die drei Gebäude des Lagers. Das UN-Flüchtlingswerk sei "verbittert" über das Feuer, sagte UNHCR-Sprecherin Laura Boldrini. Der Brand sei "Folge der durch das Kasernieren der Migranten ausgelösten Spannungen" unter den Flüchtlingen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin