Vor Friedensgesprächen in Afghanistan: Die Unbeugsame
Fausia Kufi überlebt ein weiteres Attentat. Die bekannte Frauenrechtlerin gehört zur Regierungsdelegation für die Verhandlungen mit den Taliban.
Kufi war eine von zwei Frauen der Regierungsdelegation und damit nur eine von insgesamt zwei weiblichen Verhandlerinnen unter den siebzig Anwesenden beider Seiten.
Kufi schlug dabei den Taliban selbstbewusst vor, doch auch Frauen in deren Delegation aufzunehmen. „Sie haben sogleich gelacht“, erinnert sich die 45-jährige Politikerin.
Sollte die Regierung dieser Tage wie vereinbart die letzten gefangenen 400 Taliban-Kämpfer freilassen, könnten noch in dieser Woche erstmals offizielle Gespräche Kabuls mit den Taliban in Katar beginnen. Wieder ist Kufi Teil der geplanten Regierungsdelegation, unter deren 21 Mitgliedern jetzt vier Frauen sind.
Attentäter bisher unbekannt
Doch um ein Haar hätte ein Attentat am Freitagnachmittag Kufis Teilnahme vereitelt. Kufi hielt mit ihrer Schwester auf dem Rückweg aus der Provinz an einem Markt in einem Kabuler Vorort an. Als sie aus dem Auto stiegen, eröffneten Unbekannte das Feuer.
Kufis Hand wurde getroffen, aber nicht lebensbedrohlich. Ein Taliban-Sprecher erklärte später, die Aufständischen hätten mit dem Attentat nichts zu tun. Politiker der Regierung verurteilten den Anschlag und versprachen Aufklärung.
Es war schon der zweite gescheiterte Anschlag auf Kufi. Zehn Jahre zuvor wurde auf sie in der Ostprovinz Nangarhar geschossen, als sie von einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag nach Kabul zurückkehren wollte. Ihre Leibwächter retteten sie.
Kufi ist eine der im Ausland bekanntesten Politikerinnen Afghanistans. 2005 wurde sie für ihre Heimatprovinz Badakhshan ins Unterhaus gewählt und wurde – ein absolutes Novum – Vizepräsidentin des Parlaments.
Großspurige Präsidentschaftsandidatur
Später verkündete sie großspurig eine eigene Präsidentschaftskandidatur für die Wahlen 2014, wurde aber von der Wahlkommission beim Mindestalter ausgebremst. Inzwischen ist sie nicht mehr im Parlament.
Kufi ist eines von 23 Kindern, darunter 19 Töchter, eines traditionellen afghanischen Politikers, die dieser mit seinen sieben Frauen hatte.
Sie war nach eigenen Angaben das erste Mädchen ihrer Familie, die durchsetzen konnte, zur Schule gehen zu dürfen. Die Taliban vereitelten ihr Medizinstudium, in dem sie junge Frauen aus den Unis warfen. Darauf kümmerte sich Kufi beim Kinderhilfswerk Unicef um ehemalige Kindersoldaten.
Wie viele männliche Politiker strickt auch sie gern eigene Legenden. So schreibt sie in ihrer Autobiografie, ihre Mutter habe sie als Neugeborene aus Frust über die erneute Geburt einer Tochter statt eines Sohnes zum Sterben in der Sonne ausgesetzt. Erst nachdem Fausia den ganzen Tag geschrien habe, hätte die Mutter sich ihrer doch noch erbarmt.
Kufis Vater starb im Machtkampf der antisowjetischen Mudschaheddin. Der Mann, mit dem ihr älterer Bruder sie dann verheiratete, starb an TBC aus der Taliban-Haft.
Von ihm hat Kufi zwei heute erwachsene Töchter. So sehr sie die Taliban ablehnt, so sehr sieht sie die Notwendigkeit von Gesprächen mit den afständischen Islamisten. Denen dürften sie es nicht leicht machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg