Vor EM-Qualifikation gegen Schottland: Der Beginn einer neuen Mission
Vor dem Spiel gegen Schottland schlägt DFB-Trainer Joachim Löw mit Kalkül sehr forsche Töne an. Und er spricht von einem „heißen Herbst“.
Joachim Löw hat einen forschen Ton vorgegeben. Und unmittelbar nach dem überzeugend herausgespielten 3:1-Heimerfolg gegen Polen, der obendrein die Tabellenführung einbrachte, legte er mit Blick auf das Montagsspiel in Glasgow gegen Schottland (20.45 Uhr RTL) in gleichem Maße nach: „Wir werden wieder konzentriert auftreten, gewinnen und ein gutes Spiel machen.“ Derart hat der Bundestrainer seine Siegesgewissheit selten zur Schau getragen.
Die Woche der Wahrheit, die Löw gerade erst ausgerufen hatte, verlor bereits am Freitagabend viel von ihrem möglichen Schrecken, zumal der bis dahin zweite große Gruppenrivale Schottland in Georgien gepatzt hatte. Aber der 55-Jährige hat den Bogen mit strategischem Kalkül noch weit über die Woche hinaus gespannt. Von einem heißen Herbst, dem Etappenziel Europameisterschaft 2014 und der Mission WM-Titelverteidigung 2018 hat er gesprochen.
Denn zuletzt ist dem deutschen Team nach dem WM-Triumph etwas die Spannkraft abhanden gekommen, so dass sich das vielleicht begabteste Team der DFB-Geschichte für den schlechtesten Qualifikationsstart seit etlichen Jahrzehnten verantwortlich zeigte. Angesichts des nun so schnell wieder geradegerückten Tabellenbilds sind derlei statistische Hinweise recht kleinkariert. Zumal die DFB-Elf das Problem mit dem nachlassenden Erfolgshunger nicht exklusiv hat. Der WM-Dritte Niederlande ist derzeit drauf und dran, die EM-Qualifikation zu verspielen.
Aber für die Umbauarbeiten, die Löw in seinem Team vornehmen muss, ist es Gold wert, wenn sich der Coach auf die Trag- und Spannkraft seiner wichtigsten Pfeiler verlassen kann. Das konnte man am Freitagabend in Frankfurt insbesondere auf den Außenverteidigerpositionen sehr gut beobachten.
Auch wenn sich das Team durch leichtsinnige Fehler im Spielaufbau beinahe doch noch um den verdienten Lohn gebracht hätte. Der nervöse Emre Can, der sein Länderspieldebüt rechts außen gab, fand sich dank der Unterstützung seiner Kollegen auf der für ihn ungewohnten Position immer besser zurecht. Sein Trainer bescheinigte ihm „ein ordentlich gutes Debüt“. Und Jonas Hector schien von dem deutschen Kombinationskunst in der ersten Halbzeit geradezu mitgerissen zu werden. Er glänzte zweimal als Torvorbereiter.
Zusammen haben die beiden magere acht Länderspiele auf dem Buckel und nehmen doch Schaltstellen im Spiel nach vorn ein. Denn gegen tiefstehende Gegner, so sehen es Löws Vorstellungen vor, sollen die Außenverteidiger möglichst hoch stehen und Offensivimpulse geben, um den in der Zentrale dicht stehenden Gegnerverbund auseinanderzuziehen. Gegen Polen gelang dies insbesondere Hector vorzüglich.
Egal ob rechts oder links, bis zuletzt galt unter den deutschen Spielern lediglich Philipp Lahm, der nach der WM seine Nationalmannschaftskarriere beendete, auf den Außenpositionen als internationale Größe. Nach dem Polenspiel brach Kollege Mats Hummels, der eigentlich auch gern mit Vereinskamerad Marcel Schmelzer zusammenspielt, eine Lanze für Hector. „Er ist ein sehr guter Außenverteidiger. Er hat eine gute Technik, gibt klare Anweisungen und ist immer bereit zu helfen.“
Weitere Offensivvariante
Umschulungen wie die des defensiven Mittelfeldspielers Can zeigen einerseits eine große Not, andererseits einen großen Überfluss. Mit den Kandidaten für die Sechser-Position kann Löw schließlich mittlerweile fast eine komplette Elf zusammenstellen. Ilkay Gündogan wurde deshalb am Freitagabend in der zweiten Halbzeit bei seiner Einwechslung ins vordere Mittelfeld versetzt und bestach dort mit Dribblings und klugen Zuspielen. Im Offensivspiel hat Löw zu seinen gefühlt drei Dutzend Varianten eine weitere hinzugewonnen. Die Umstellung auf die Außenverteidigerposition ist indes eine viel anspruchsvollere. Die Alternativen sind rar.
Dabei ist das Risiko gegen tief verteidigende Gegner, wie sie in der EM-Qualifikation zumeist auftreten, noch überschaubar. Interessant wird es, wenn die DFB-Elf mit Can und Hector auf hochklassige, offensiv schlagkräftigere Gegner trifft. Beide gelten nämlich nicht unbedingt als defensivstark. Möglicherweise werden dann wieder Innenverteidiger wie einst Benedikt Höwedes umgeschult.
Schon das Schottlandspiel am Montag dürfte in dieser Hinsicht eine etwas größere Herausforderung werden. Löw stellte fest: „Schottland muss zu Hause etwas investieren in die Offensive. Von daher wird es nicht so einen defensiven Gegner geben wie heute.“
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