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Vor EM-Halbfinale gegen DeutschlandSo schlagen wir die Deutschen

Die Türkei ist wild entschlossen, die deutschen Favoriten im Halbfinale zu besiegen. Das wird nicht ganz leicht, aber: Allah wird's schon richten.

Psst! Semih Sentürk weiß wie man späte Tore schießt. Bild: ap

WIEN taz Fassen wir noch einmal zusammen: Emre Güngör wird fehlen, Muskelfaserriss. Emre Belözoglu laboriert an einer Wadenverletzung, Einsatz fraglich. Emre Asik ist gelbgesperrt. Tuncay und Arda sind es gleichfalls. Bei Nihat hat sich ein Bluterguss an der Leiste gebildet - EM-Aus. Tümer hat Leistenprobleme, Einsatz fraglich. Schlüsselspieler Servet leidet unter einer Innenbanddehnung im linken Knie. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er spielt", sagt der türkische Pressesprecher Türker Tozar der taz und verweist auf den ebenfalls fehlenden Torwart Volkan, dessen Zwei-Spiele-Sperre trotz eines Einspruchs des türkischen Verbands vorgestern von der Uefa bestätigt wurde. Wenn derart viele Spieler fehlen, sollte es die deutsche Mannschaft dann nicht locker und leicht ins Finale der Europameisterschaft schaffen?

Dass die Deutschen leichtes Spiel haben, könnte sich als Trugschluss erweisen, denn das türkische Team wittert eine historische Chance. Es handelt am Mittwoch im Basler St.-Jakob-Park quasi im nationalen Auftrag. Die Kicker in den roten Leibchen sind nun keine normalen Fußballspieler mehr, sie sind Botschafter mit Stollenschuhen, Abgesandte eines EU-Prätendenten. Ja, selbst Allah ist mit im Spiel, hat er doch der Nationalelf und, nicht zu vergessen, dem türkischen Volk die späten Tore gegen Tschechien und Kroatien geschenkt. Allah ist groß, Allah ist mächtig, gegen ihn ist der Fußballheilige Franz Beckenbauer nur eine lächerliche Krippenfigur. Den direkten Draht nach oben besitzt übrigens der türkische Stürmer Semih Sentürk, dem die Gnade der späten Tore zuteil wurde. Die taz hatte die Möglichkeit, den Helden des türkischen Fußballs im Wiener Horr-Stadion, am Favoritener Verteilerkreis, zu treffen.

Sentürk sagt: "Wenn der Gegner Favorit ist, motiviert uns das ganz besonders. Die Türken auf der ganzen Welt wollen uns siegen sehen. Die Spieler, die uns verblieben sind, werden alles geben. Wirklich alles." Er verspricht, dass sie rennen bis zum Umfallen, sich eine Pferdelunge für dieses Spiel zulegen werden, und hofft erneut auf ein Wunder. Er hätte aber nichts dagegen, wenn sein Tor weit vor der 90. Minute fiele. "Ich verspüre keinen Druck, denn wir haben bei dieser EM schon einen Rekord für die Türkei aufgestellt: Wir sind ins Halbfinale gekommen", sagt Sentürk und wischt sich den Schweiß mit einer Papierserviette von der Stirn.

Fatih Terim, das sei der Magier, der Großmeister des Erfolgs. "Ich habe noch nie unter so einem guten Trainer gearbeitet." Diese Aussage ruft unter türkischen Journalisten zwar ein Grummeln hervor, doch Sentürk setzt seine Lobpreisung des "Imparators" fort: "Er macht mich stark, nein, er macht uns stark, indem er uns sagt, wie talentiert wir sind." Sendungsbewusst klingt das, beseelt fast. Die DFB-Elf sollte sich auf etwas gefasst machen. Die Türken sind wild entschlossen, jede Nachlässigkeit der Deutschen auszunutzen. Da spielt es eine untergeordnete Rolle, wie sie auflaufen und mit wem.

Der gesperrte Arda sieht die dezimierte Auswahl gleichfalls auf Augenhöhe mit dem DFB-Team: "Deutschland hat 1996 auch viele Verletzte gehabt und ist Europameister geworden." Ähnlich optimistisch äußert sich Abwehrspieler Gökhan: "Auch wenn wir viele verletzte Spieler haben, werden wir das letzte Hindernis auf dem Weg in das Finale aus dem Weg räumen." Das ist kein Pfeifen im Walde, nein, Deutschland ist für Terims Team kein Angstgegner mehr, sondern fast schon so etwas wie ein Aufbaugegner. 1998 verlor die DFB-Auswahl in Bursa mit 0:1, ein Jahr später sprang für die Türken ein 0:0-Unentschieden in München heraus, und vor knapp drei Jahren verloren die Deutschen 1:2 in Istanbul. "Man hat bei dieser EM schon einige Favoritenstürze gesehen", sagt Semih Sentürk. In Basel sollen die Deutschen fallen.

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