Vor Besuch des US-Präsidenten: Ägyptens Hoffnung in Obama
Selbst Ägyptens Muslimbrüder haben hohe Erwartungen an den Besuch von US-Präsident Obama. Die islamische Welt hofft auf eine neue Nahostpolitik der Vereinigten Staaten.
KAIRO taz | Es herrscht ein geschäftiges Treiben an der Kairoer Universität. Arbeiter tragen kübelweise Farbe durch das zentrale Eingangstor. Draußen werden die Bäume zugeschnitten. Jede einzelne Steinplatte der Mauer rund um die Hochschule wird gefegt. Am Donnerstag, wenn US-Präsident Barack Obama hier seine Grundsatzrede zur Versöhnung mit der islamischen und arabischen Welt halten und seine Vision einer Nahostpolitik präsentieren wird, will sich die ägyptische Hauptstadt von ihrer besten Seite zeigen.
Die Studenten, die noch eilig ihre Prüfung ablegen, bevor die Universität für den hohen Gast für ein paar Tage geschlossen wird, sind gespalten: "Diese Region hat seit 50 Jahren nichts als Konflikte erlebt. Wir hoffen, dass Obama den Palästinensern zu Gerechtigkeit verhilft und so Frieden schafft", sagt der 20-jährige Geschichtsstudent Ahmad Hassan. Seine Studienkollegin Iman Hussein ist skeptischer: "Alles schöne Worte, was zählt, sind Taten", sagt sie.
Ein paar Kilometer entfernt, in der Zentrale der Muslimbruderschaft, Ägyptens größter Opposition, hört sich das ganz ähnlich an. "Obama ist eine charismatische Person, und er meint es ernst mit seinem Ruf nach Veränderung", glaubt Essam Erian, einer der führenden Muslimbrüder des Landes. "Aber gerade die ganzen Vorschusslorbeeren könnten ihm am Ende gefährlich werden, wenn er es nicht schafft, diese Veränderung auch wirklich durchzusetzen", sagt er gegenüber dieser Zeitung. "Wenn er seine verbale Forderung nach einem israelischen Siedlungsstopp tatsächlich durchsetzt, Israel zwingt, die Grenzen zum Gazastreifen zu öffnen und einen Dialog zwischen US-Regierung und der palästinensischen Hamas beginnt, das würde mehr als hundert Reden zählen", meint er.
Die staatliche Tageszeitung Al-Ahram feiert nun schon seit Wochen, dass Obama Ägypten als Plattform für seine Rede an die islamische Welt gewählt hat. "Obama versteht die starke emotionale Verbindung zwischen der islamischen Welt und dem Palästinaproblem. Eine Lösung für dieses Problem zu finden, wird die Gefühlslage der Muslime gegenüber Amerika radikal verändern", hofft Al-Gumhuriya, eine anderes Sprachrohr der ägyptischen Regierung.
In der unabhängigen Tageszeitung Al-Masri Al-Youm klingt das schon etwas vorsichtiger. "Anstatt darüber glücklich zu sein, dass Obama in Kairo spricht, sollten wir seine Rede genau analysieren", fordert die Zeitung. Obamas Rede sollte eine Entschuldigung für die Verbrechen seines Vorgängers George W. Bush beinhalten. "Wir werden sicher nette heilende Worte hören, aber wird es genug, um wirklich neue Beziehungen aufzubauen?", fragt die Zeitung.
Gänzlich unverblümt äußerte sich dagegen der ägyptische Vizechef von al-Qaida. In einer Videobotschaft erklärte Eyman al-Sawahiri am Mittwoch: "Obama ist in Ägypten nicht willkommen." Nur Amerikas "Sklaven" und "Agenten" würden Obama in Kairo mit offenen Armen empfangen.
Im Vorfeld seiner Reise, die Obama am Mittwoch nach Saudi-Arabien und dann nach Ägypten führt, hat der US-Präsident in einem BBC-Interview die Marschrichtung angedeutet, die er einschlagen will. Demnach bekräftigte er, dass seiner Meinung nach ein palästinensischer Staat auch in israelischem Interesse sei. Es gibt Stimmen in der arabischen Welt, die beklagen, dass Obama mühevoll eine neue Nahost-Initiative startet und die Araber nur als Zaungäste zusehen. "Wenn die Araber nicht aktiv bei Obamas Projekt mitmachen, dann wird dieser scheitern", prophezeit der ägyptische Politologe gegenüber dieser Zeitung.
Aber es gibt auch jene Araber, die hinter Obamas neuem Nahostvorstoß ganz andere Motive wittern. "Immer wenn US-Präsidenten in den Krieg ziehen wollten, haben sie ein wenig mit der palästinensischen Karte gespielt, um die Araber auf ihre Seite zu ziehen", erinnert die überregionale Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi. "Diese neue Initiative Obamas könnte der Versuch sein, eine arabische Allianz gegen den Iran zu schmieden", warnt die Zeitung.
In einem aber scheinen sich die meisten Araber, von den Regierenden abgesehen, einig. Sie sind ein wenig neidisch auf die Figur Obama. "Die Amerikaner haben ihre Hausaufgaben gemacht und es geschafft, nach acht Jahren Bush etwas Neues zu wählen", schreibt die Zeitung Al-Masri Al-Youm und fügt resigniert hinzu: "Unsere Herrscher bleiben dagegen ewig an der Macht." KARIM El-GAWHARY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren