Vor Beisetzung von Boris Nemzow: Tausende nehmen Abschied
Der ermordete Kremlkritiker wird in Moskau beigesetzt. Familie und Weggefährten pilgerten zu seinem Sarg, der im Sacharow-Zentrum aufgebahrt war.
MOSKAU dpa/afp | Der ermordete Kremlkritiker Boris Nemzow wird am Dienstag in Moskau beigesetzt. Am Vormittag hatten bereits Tausende Menschen in Moskau Abschied vom ermordeten Kremlkritiker Boris Nemzow genommen. Mit roten Rosen in den Händen zogen Freunde und Weggefährten am offenen Sarg des 55-jährigen Oppositionellen vorbei, der in den Räumen des Sacharow-Zentrums aufgebahrt war. Vor dem Gebäude der Menschenrechtsorganisation bildete sich eine lange Schlange von Trauernden. Die Polizei sperrte die Umgebung weiträumig ab.
Im benannten Sacharow-Zentrum ist zunächst eine Trauerfeier geplant. Am Nachmittag soll der 55-jährige Nemzow dann auf dem Prominentenfriedhof Trojekurowo beigesetzt werden. Zu der Beerdigung werden auch der litauische Außenminister Linas Linkevicius sowie die FDP-Politiker Wolfgang Gerhardt und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erwartet.
Aufsehen erregte, dass der polnische Senatspräsident Bogdan Borusewicz kein Visum für das Begräbnis erhielt. Der ehemalige Bürgerrechtler kritisierte die Entscheidung und warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, das Land in Richtung Diktatur zu führen. „Das ist zweifellos ein autoritäres System, das auf eine Diktatur zugeht“, sagte er dem polnischen Fernsehsender TVN24. Nach Angaben einer Sprecherin der russischen Botschaft in Warschau steht Borusewicz auf der Liste der EU-Politiker, die wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen nicht in das Land einreisen dürfen.
Nemzow, ein bedeutender Gegner Putins, war am späten Freitagabend mit vier Schüssen in den Rücken auf einer Brücke in Kremlnähe getötet worden. Er starb am Tatort. Der Schütze entkam unerkannt. Nemzows Begleiterin blieb unverletzt. Die 23-Jährige verließ Moskau am Montagabend in ihre ukrainische Heimat, wie die russische Agentur Tass unter Berufung auf einen Sprecher des Kiewer Außenministeriums meldete.
Der Mord an Nemzow hatte international für Entsetzen gesorgt. Die Bundesregierung fordert eine lückenlose Untersuchung. Putin sagte zu, alles für die Aufklärung „zynischen Mordes“ zu tun. Zu einem Trauermarsch für den früheren Vizeregierungschef Nemzow waren am Sonntag Zehntausende Menschen gekommen.
Die russischen Behörden setzten Berichten zufolge den erfahrenen Ermittler Igor Krasnow auf den Mordfall an. Er soll eine zwölfköpfige Sonderkommission leiten. Krasnow hatte sich zuvor in Fällen mit nationalistischem Hintergrund profiliert. Beobachter gehen davon aus, dass die Behörden den Mord als Angriff des ultranationalistischen Milieus auf die prowestliche Opposition sehen. Oppositionelle vermuten die Schuldigen aber eher im Kreml. Kritiker befürchten, dass die Tat nie aufgeklärt wird – wie frühere Attentate auf Kremlgegner.
Laut Nachrichtenagentur AFP hat ein Freund von Nemzows, Ilja Jaschin, gesagt, dass der Ermordete in Besitz von Dokumenten war, die eine Präsenz russischer Soldaten in der Ukraine belegen sollen. Laut Jaschin seien diese jedoch von Ermittlern beschlagnahmt worden. Es sei zu befürchten, dass sie nie veröffentlicht werden. Jaschin leitet die Oppositionsbewegung Solidarnost.
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