: Von göttlichen Helden
■ Das Tholu Bommalata-Schattentheater aus Andhra Pradesch heute abend im Haus der Kulturen der Welt
Der göttliche Held Rama schneidet der Schwester des zehnköpfigen Dämonenkönigs kurzerhand Nase und Ohren ab — nur weil er sich über ihre Annäherungsversuche ärgert. Die wiederum mobilisiert ihren Bruder Ravana, jenen Dämonenkönig eben, fordert bittere Rache. Soviel zu den Anfängen. Dallas ist gegen die Episoden des Tholu Bommalata-Schattentheaters harmloser Kinderkram.
Im Rahmen der Indien-Festspiele gastiert die Nimmalakunta Puppet Group heute abend um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt. Sie gehört zu den rund 50 Familien traditioneller Schattentheater-Puppenspieler aus dem südindischen Andhra Pradesch. Von Öllampen im Hintergrund beleuchtet, tanzen die Figuren aus dem hinduistischen Ramayana- Epos auf einer hauchdünnen Leinwand. Die bunt bemalten Lederpuppen werden mit Hilfe von Bambusstäben bewegt. Gesang und Musik gehören ebenso zum traditionellen Puppenspiel. Instrumente sind Harmonium, Becken und Trommel. In die Handlung werden politische Satire, News aus der Großstadt, Klatsch und Anekdoten eingestreut. Keine Vorstellung gleicht der anderen.
Die indische Regierung bedient sich der Schattenspieler, um ihre Familienplanungsprogramme an die Dorfbevölkerung zu vermitteln. Heute, da Video und Fernsehen das Schattenspiel immer stärker verdrängen, bedeuten die staatlichen Aufträge die Rettung vieler Puppenspieler.
Die Nimmalakunta Puppet Group ist für ihre riesigen, zum Teil über zwei Meter großen Figuren bekannt. Oft muß eine einzelne Puppe von mehreren Spielern geführt werden. Je besser die Spieler, um so reibungsloser der Auf- und Abtritt der Puppen auf der Schattenbühne, um so kunstvoller die Bewegungen. Damit sich die Figuren deutlich auf der Leinwand abzeichnen, werden sie leicht dagegen gedrückt. In der Bewegung geraten Kopf, Arme und Beine in den Unschärfebereich. Geschickte Puppenspieler können so fantastische Effekte erzielen.
Zurück zur Handlung (die übrigens auch auf deutsch erzählt wird, um Klarheit in die wirren Ereignisse zu bringen): Der zehnköpfige Dämonenkönig rächt die Verstümmelung seiner Schwester. Er entführt Sita, die Frau des göttlichen Helden. Rama — der aufgrund seiner violetten Gesichtsfarbe leicht zu erkennen ist — macht sich mit seinem Bruder akshmana auf die Suche nach der Entführten. Auf ihrem Weg treffen sie auf den sterbenden Adlerkönig Jatayu. Mutig hatte er versucht, Sita zu befreien. Dabei mußte der königliche Vogel nicht nur Federn, sondern gleich beide Flügel lassen, was dann, nach endlosen Worten an den göttlichen Helden zu seinem Ableben führt. Das nächste gekrönte Tier, das Rama seine Unterstützung anbietet, ist der Affenkönig Sugriva. Der hat allerdings das kleine Problem, momentan entthront zu sein und macht deshalb zur Bedingung, erst mit vereinten Kräften seinen Widersacher zu vertreiben.
Die vielgestaltigen Figuren auseinanderzuhalten ist für die der Sage Unkundigen nicht einfach. Dafür kann man sich die prachtvollen Bemalungen gar nicht lange genug ansehen. Die aus hauchdünnem Ziegenleder von den Spielern selbst gefertigten Figuren sind hauptsächlich in Rot- und Grautönen gehalten — gemäß der traditionellen Ikonographie.
Übrigens eine Episode ohne Happy-End. Lilli Thurn und Taxis
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