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Von der Leyens PläneAngriff auf die EU-Lieferketten-Richtlinie

Die EU-Kommission will Bürokratieabbau. Umwelt und-Menschenrechtsorganisationen befürchten eine Aushöhlung des Regelwerks.

Nickelmine im indonesischen Wald: Pflichten zu Nachhaltigkeit und Menschenrechte in der Lieferkette könnten abgeschwächt werden Foto: Auriga Nusantara/ap

BERLIN taz | Im neuen Arbeitsprogramm der EU-Kommission steht wenig zu Klimaschutz, dafür viel zu Bürokratieabbau für die Wettbewerbsfähigkeit. Pflichten zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit und Menschenrechte sollen überarbeitet werden. Einen Kahlschlag bei der europäischen Lieferketten-Richtlinie befürchten Menschenrechts- und Umweltorganisationen. „Es droht ein Zurückdrehen“, sagt Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor.

So ähnlich wie das bereits geltende deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet die EU-Richtlinie große Unternehmen ab 2027 eigentlich, sich um die Menschenrechte der Beschäftigten ihrer Zulieferer im Ausland zu kümmern.

Hiesige Firmen sollen dann mitverantwortlich dafür sein, dass Beschäftigte von Zulieferern Mindestlohn und Mindesturlaub erhalten sowie dass ihre Arbeitssicherheit gewährleistet ist. Diese Regeln einhalten müssen ab 2027 zunächst EU-Unternehmen mit mehr als 5.000 Arbeitnehmenden. Später sinkt die Obergrenze auf 1.000 Personen.

Das alles trat erst im vergangenen Sommer in Kraft. Doch seitdem hat sich die Wirtschaftslage verschlechtert, weshalb viele Unternehmen und ihre Verbände nun Kostensenkungen verlangen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will diesen Forderungen teilweise entgegenkommen. Am Mittwoch veröffentlichte sie ihr „Arbeitsprogramm“ für 2025.

Wirtschaftslobby will, dass weniger Unternehmen von den Pflichten betroffen sind

Demnach sollen die Kosten für Firmen um bis zu 35 Prozent sinken, indem Regelungen „vereinfacht“ werden. Für die letzte Februar-Woche hat von der Leyen ein „Omnibus“ Paket angekündigt, das unter anderem die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die Richtlinie zur Berichterstattung von Unternehmen über Nachhaltigkeit betrifft.

Was darin genau stehen wird, ist bisher nicht bekannt. Nach Einschätzung der europäischen Grünen weiß es auch die Kommission selbst noch nicht. Angeblich plant der federführende EU-Kommissar Valdis Dombrovskis tiefere Einschnitte als der ebenfalls zuständige Justizkommissar Michael McGrath.

Klar ist dagegen, dass die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die die Lieferkettengesetze immer bekämpft hat, nun einen neuen Versuch startet. Sie will die EU-Richtlinie auf Unternehmen mit mehr als 5.000 Leuten und nur auf die wichtigsten Zulieferer beschränkt sehen.

Außerdem fordert die BDA, die zivilrechtliche Haftung hiesiger Firmen zu „löschen“. Sie könnten dann kaum noch vor Gericht verklagt werden, wenn sie gegen Menschenrechte verstoßen. Parallel verlangt der Bundesverband der Deutschen Industrie mit seinen Partnern in Italien und Frankreich, die Umsetzung der CSDDD zu verschieben und die Firmen von der Erfüllung der Ziele des Klimavertrags von Paris zu entbinden.

„SPD und Grüne müssen standhaft bleiben“

Druck in Richtung der Aushöhlung der Richtlinie mache auch die Europäische Volkspartei unter ihrem Vorsitzenden Manfred Weber (CSU), beklagt die Initiative Lieferkettengesetz, der neben Misereor 90 weitere Nichtregierungsorganisationen angehören. Armin Paasch bittet deshalb: „SPD und Grüne müssen standhaft bleiben.“ Die eine oder die andere Partei könne in der nächsten Bundesregierung verhindern, dass die CSDDD falle, so Paasch. Wobei auch schon Politiker der SPD und Grünen Zweifel am Sinn der EU-Richtlinie äußerten.

Hinsichtlich der EU-Richtlinie zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit (CSRD) befürchtet Eva Kleemann von Germanwatch, die Pflicht der Unternehmen könne entfallen, über die konkreten Folgen ihrer Geschäftsaktivitäten für die Menschenrechte und die Umwelt zu berichten.

Übrig blieben dann möglicherweise nur noch Berichte zu den finanziellen Folgen von Nachhaltigkeitspolitik für die Firmen selbst. Der Beirat für Nachhaltige Finanzen beim Bundesfinanzministerium spricht sich währenddessen dafür aus, die CSRD zu erhalten, jedoch zu vereinfachen, indem beispielsweise die Zahl der zu berichtenden Daten reduziert werde.

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6 Kommentare

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  • Das Lieferkettengesetz ist ein bürokratischer Unsinn, mit dem der Staat seine Verantwortlichkeiten auf die Wirtschaft abwälzt.



    Es ist die Aufgabe des Staates, auf andere Staaten dahingehend einzuwirken, m fassvernünftige Arbeitsschutzgesetze erlassen werden. Mein Arbeitgeber, der von der Größe gerade unter das Lieferkettengesetz fällt, hat 4000 Zulieferer. Auditieren oder überwachen kann man die nicht. Praktisch gibt es zwei Möglichkeiten: Man bezahlt Persilscheine von irgendwelchen Zertifizierungsgesellschaften und Sponsor damit ein teures und völlig überflüssiges Bürokratiemonstrum, oder man kauft nicht mehr in unterentwickelten Ländern.



    Das Lieferkettengesetz ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht.

  • Das Gesetz ist im Alltag ein wirkungsloses Bürokratiemonster.



    Ablasshandel für fortgeschrittene, Albtraum für Selbstständige, aber die passen sowieso nicht ins Konzept von Linksgrün.

  • Diese "Christin" huldigt den christlichen Lehren sehr selektiv. Im Grunde genommen kennt sie nur ein alttestamentarisches Objekt: das goldene Kalb. Nur das ist in ihrem Weltbild übriggeblieben, abgesehen von der eigenen Karriere und einer gut gestylten Frisur. Die Bergpredigt mit all den Ermahnungen kennt sie offensichtlich gar nicht.

  • Das Lieferkettengesetz ist ein bürokratisches Wunderwerk: Große Konzerne feiern sich für „Nachhaltigkeit“, während Mittelständler in Bangladesh Excel-Tabellen über Kinderarbeit führen – natürlich auf Deutsch. KMU sind „nicht direkt betroffen“ – außer, dass Amazon & Co. ihre Compliance-Pflichten an sie weiterreichen. Der örtliche Metallbauer soll jetzt marokkanische Kobaltminen überwachen, während er die Rechnung für den teuren Berater zahlt. Fair-Trade-Bürokratie nennt sich das wohl.

    Das Gesetz belohnt nicht Erfolg, sondern Bemühungen. Ein Obsthändler in Bayern soll „sich bemühen“, herauszufinden, ob seine Bananen mit Arsen gedüngt wurden – Hauptsache, die Formulare stimmen. Während deutsche Mittelständler sich mit Risikoanalysen quälen, lachen chinesische Konzerne. Sie übernehmen Märkte, die europäische Firmen aus „Haftungsangst“ verlassen.

    Die Krönung: KMU haften für Verstöße ihrer Lieferanten – selbst wenn sie deren Adresse nicht mal kennen. Das Gesetz ist wie ein Fallschirm aus Beton: Man fühlt sich sicher, bis man ihn braucht. Vielleicht sollte die EU weniger „Due Diligence“ fordern und mehr „Common Sense“.

  • Wenn's der Wirtschaft schlecht geht, dann müssen sich Klima-Umweltschutz und Menschenrechte hinten anstellen...



    In manchen Reihem nennt man das Wirtschaftskompetenz... nur dass es in Deutschland im Grunde nicht einfach nur um Bürokratieabbau geht. Hier haben sich eine ganze Reihe an Exportweltmeister und Weltmarktführer bequem zurückgelehnt ud nicht bemerkt, dass sich die Welt auch ohne sie dreht...



    Das Beispiel VW ist ja nur das offensichtlichste... die Verbrenner will auf Sicht niemand mehr haben... auch wenn die Union aus dem Verbrenner-Aus wieder aussteigt... es nennt sich Nachfrage... wenn die nicht da ist, ist egal, was CD/SU, FDP und AfD da so posaunen...

  • Wer schon jemals die Anwendung dieses Gesetztes erlebt hat, kann der Forderung nach Abschaffung nur zustimmen! Es ist ein absurd aufgeblähtes Bürokratie-Monster, das seinen Zweck völlig verfehlt und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraumes massiv schädigt!